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Diabetes-Kids Elternblog: "Verwöhnte" Kinder?

princess Quelle: PixabayManchmal, wenn ich im Supermarkt mal wieder nach kurzer Diskussion nachgebe, wenn es um den Kauf der gefühlten 100sten Zeitschrift mit Aufklebern oder um die dritte Runde Karusselfahren am Volksfest geht, denke ich mir „verwöhnt wird sie schon, die Prinzessin“. Oder wenn Helena zuhause im Garten im Schatten auf einer Liege thront, ein neu runtergeladenes Spiel am Tablet spielend, und ihr Papi serviert ihr gekühltes (natürlich zuckerfreies Limo) und einen liebevoll hergerichteten Gemüseteller – ja, sie wird verwöhnt.

Dann denke ich mir manchmal, wie wirkt das auf andere – das mit Spielsachen gefüllte Zimmer, die schönen Klamotten, ein Handy mit 6 Jahren….denken die auch, unsere Tochter ist verwöhnt?

Bestimmt tun das manche. Vielleicht möchte ich mich gerade auch vor mir selbst rechtfertigen, die „anderen“ könnten mir egal sein – das ist es aber nicht. Jedes mal, wenn ich so einen Blick wahrnehme (oder nur glaube das zu tun) – denke ich mir, wenn Ihr nur wüsstet.

Dazu muss man sagen, wir sind, was den Diabetes betrifft, in einer sehr glücklichen Lage, was unser Umfeld betrifft. Das fängt an bei einer vollkommen unvoreingenommenen Schule samt geschulter Lehrerin, einem fantastischen Hort, engagierten Großeltern und verständnisvollen Eltern von Mitschülern, die vor jedem Geburtstagskuchen ein Whatsapp-Bild des Gebäckes an mich schicken, so dass ich der Lehrerin einen Zettel mit KE-Angaben mitgeben kann – damit mein Kind nicht zuschauen muss, wenn alle anderen Kuchen essen. An dieser Stelle danke an alle diese wunderbaren Menschen, ich weiß dass es auch ganz anders laufen kann. Und danke an unsere neue Krankenkasse, die so wunderbar unkompliziert und kulant ist.

An die, deren Blicke ich spüre: jeder Eurer Blicke ist für mich ein Stich in mein Mutterherz. Das macht aber nichts, denn meine Tochter muss ungleich mehr Stiche, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes aushalten. Wenn man seinem geliebten Kind jeden zweiten bis dritten Tag eine Nadel in den Po schießt die ungefähr einer Impfspritze gleichkommt und drei- viermal am Tag zusätzlich in den Finger piekst, kann man das nachvollziehen. Und wenn ihr das gleichzeitige Anschauen eines Youtube-Barbie-Videos mit zweifelhaftem intelektuellen Inhalt den Pieks erleichtert, dann pfeif ich in diesem Moment auf viereckige Augen und pädagogisches wertvolles Fernsehen.

Wenn man sein Kind beim Freibadbesuch nicht nur mit Sonnencreme einschmieren, sondern erst mal (unter neugierigen Blicken) Katheter  (Nadel 1) und Sensor (Nadel 2) mit wasserfestem Pflaster abkleben muss, die Pumpe abnehmen und in die Kühltasche packen muss- um dann, zur Krönung, nach maximal 30 Minuten zu rufen „H., bitte komm jetzt aus dem Wasser, sonst löst sich das Pflaster“ – während alle anderen Kinder bis zur vollkommenen Erblauung der Lippen stundenlang im Becken toben – und sich dann selbstverständlich ein Eis kaufen, während mein Kind geduldig wartet bis alle Pflaster getrockenet, die Pumpe angelegt und optisch kaschiert wurde und der Blutzucker gemessen ist- ist das dann auch „verwöhnen“?

Und das alles erträgt, erlebt dieses wundervolle kleine, tapfere Geschöpf mit einer solchen Gelassenheit, dass es uns manchmal die Sprache verschlägt. Nicht ein einziges mal in diesen 2.5 Jahren hat sie etwas Süsses gegessen, ohne Bescheid zu sagen. Nicht einmal beklagt sie sich, wenn sie ihre Süßigkeiten, die irgendwo verteilt wurden, mit nach Hause nehmen muss, weil der Wert gerade nicht in Ordnung war. Sie bleibt still und geduldig liegen wenn ich an ihr rumpfriemel um den Sensor noch etwas fester zu kleben, sie jammert nicht wenn sich unter den vielen Pflasterschichten mal wieder Hitzepusteln bilden und alles zu jucken anfängt, sie schimpft bei diesen Temperaturen nicht mal über das warme Pumpenbauchband und die Handytasche um den Hals.

Dieser glückliche Blick unserer Tochter, wenn wir zuhause die Pumpe für eine Stunde abnehmen im Sommer, und sie durch den Garten springt mit dem Satz „jetzt bin ich fast wie ein ganz normales Kind“ – wieviel Geld würde ich bezahlen, wenn sie diesen Satz nicht mehr sagen müsste. Wenn „normal sein“ so etwas Besonderes wird wie für H., dann bekommt die 100ste Zeitschrift und die 8te Puppe doch einen anderen Stellenwert, oder?

Bei uns ist alles immer ein bißchen komplizierter. Machbar, für euch vollkommen normal, aber für uns kompliziert. Es gibt nicht einfach mal so Kindergeburtstage, bei denen man das strahlende Kind abgibt und Stunden später, glücklich mit Kuchen vollgestopft, wieder abholt. Ich bin die Mutter, die mit Buch am Rand in überfüllten Indoor-Spielplätzen sitzt, übrigens. Ich bin übrigens auch die, die im Freibad mit dem Handy in der Hand am Beckenrand sitzt, nicht weil ich so wichtig bin, sondern weil mir die Gesundheit meiner Tochter so wichtig ist und ich zwischendurch einen Blutzuckerwert abfangen muss, damit ich ihr rechtzeitig einen Traubenzucker in den Mund schieben kann.

Eine Übernachtung bei einer Freundin – das geht leider (noch) nicht. Teilnahme an einem Ferienprogramm, im Urlaub Betreuung im Kinderclub, Schlittenfahren mit der Schule – alles nicht so einfach. Es gibt Dutzende weitere Beispiele.

Vom Durchschlafen mal abgesehen, wers ausprobieren mag stellt sich mal alle 2-3 Stunden den Wecker nachts und geht am nächsten Tag arbeiten. Diabetes schläft nicht und macht auch Nachts – gerade Nachts – keine Pause. Auch hier, ja, das wirkt sicherlich verwöhnt wenn eine 6-jährige bei der Mutter im Bett schläft. In diesem Fall verwöhne ich mich selbst, damit ich zumindest liegen bleiben kann wenn der Wert mal wieder Alarm schlägt und ich Insulin oder Flüssigzucker geben muss. Das gibt dann übrigens ein Loch im Zahn, weil ich mein Kind nachts um 2 Uhr dann nicht mehr zum Zähne putzen schicken mag. Nach dem Zahnarztbesuch dann ein Einkauf – „Mami, darf ich die Zeitung haben….?“

Wenn sich dann wie ein kleiner Teufel im Hirn wieder das Bild vor Augen schiebt, wie das eigene Kind, das man so abgöttisch liebt, mit einer Infusionsnadeln in jeder Hand im Krankenhaus tapfer die kleinen, schon vollkommen zerstochenen Fingerchen hinstreckt, damit mit furchtbar schmerzhaften Einweg-Pieksern jede Stunde der Blutzucker gemessen wird – oder wie sie nach einer schweren Unterzuckerung plötzlich schlaff und ohnmächtig in meinen Armen wurde, so dass ich zwei unendliche Minuten lang geglaubt habe, sie wäre nicht mehr am Leben – dann holt mich ein liebevoll bettelnder Blick aus wunderschönen, klugen blauen Kulleraugen zurück in die Realität. „Also gut, nimm die Zeitschrift mit“.

Natürlich löst sich der Diabetes dadurch nicht in Luft auf. Und, trotz aller schlaflosen Nächte, aller vergossenen Tränen, aller „Warum“-Fragen – es wird wirklich besser. Manchmal vergisst man ihn sogar für ein paar Stunden – nicht nur wir Eltern, sondern sogar unser Kind. Besonders dann, wenn sie strahlt, weil es mal wieder ein „Verwöhnprogramm“ gibt.

Wenn Ihr sowas also beobachtet, urteilt bitte nicht über uns. Unsere Kinder haben sich das verdient, jeden Tag und immer wieder aufs Neue!

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