Der Deutsche Gesundheitsbericht Diabetes 2025 wurde veröffentlicht - Was Familien dazu wissen sollten
Der Deutsche Gesundheitsbericht Diabetes 2025 ist voll mit Zahlen, Fachbegriffen und Politik – aber was heißt das konkret für Familien mit einem Kind mit Diabetes?
Hier eine verständliche Zusammenfassung der wichtigsten Punkte.
1. Wie viele Kinder sind betroffen?
- In Deutschland leben aktuell rund 37.000 Kinder und Jugendliche (0–20 Jahre) mit Typ-1-Diabetes – das ist eine Verdopplung in den letzten 20 Jahren.
- Pro Jahr erkranken etwa 4.000 Kinder und Jugendliche neu an Typ-1-Diabetes.
- Auch Typ-2-Diabetes bei Jugendlichen nimmt zu, bleibt aber im Vergleich zu Typ 1 noch selten.
Für Familien bedeutet das:
Ihr seid nicht allein – und die Versorgung von Kindern steht sehr im Fokus der Fachgesellschaften.
2. Diabetestechnik: CGM & AID werden zum Standard
Der Bericht zeigt sehr deutlich: Deutschland ist bei Kinder-Diabetestechnik weit vorne.
- Fast alle Kinder und Jugendlichen mit Typ-1-Diabetes nutzen mittlerweile einen CGM-Sensor.
- Rund 70 % der Kinder haben eine Insulinpumpe, bei den Jüngsten ist der Pumpenanteil am höchsten.
- Etwa ein Drittel aller Kinder und Jugendlichen wird bereits mit einem AID-System (Hybrid-Closed-Loop) behandelt – Tendenz steil steigend.
- AID-Systeme verbessern die Glukosewerte, senken Hypo- und Hyperglykämien und entlasten Familien spürbar.
Gleichzeitig betont der Bericht:
AID- und CGM-Systeme sind großartig – aber sie brauchen gute Schulung, damit Kinder, Eltern und Teams die Technik wirklich sicher und sinnvoll nutzen können.
Für Familien:
Wenn ihr noch keinen CGM oder kein AID-System habt, lohnt sich das Gespräch mit eurem Diabetes-Team. Und: Scheut euch nicht, umfassende Schulung einzufordern – die Technik soll euch dienen, nicht umgekehrt.
3. Psychische Gesundheit: Diabetes ist mehr als nur Zucker
Der Bericht stellt klar: Diabetes belastet nicht nur den Körper, sondern auch die Seele – bei Kindern wie Eltern.
- Psychische Belastungen wie Diabetes-Distress, Angst und Depression kommen bei Menschen mit Diabetes häufiger vor als in der Allgemeinbevölkerung.
- Schon „subklinische“ Belastungen – also noch keine Diagnose wie Depression – können das Selbstmanagement deutlich verschlechtern (z. B. Vergessen von Bolus, Vermeiden von Messen, Konflikte in der Familie).
- Fachgesellschaften fordern, dass psychosoziale Unterstützung ein fester Bestandteil der Diabetesbehandlung sein soll, nicht nur ein „Extra“, wenn es ganz schlimm wird.
Die Realität in Deutschland:
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- Im stationären Bereich (z. B. Diabetes-Schulung in Kliniken) gibt es eher multiprofessionelle Teams inkl. Psychologie.
- Im ambulanten Bereich sind solche Angebote oft schlecht finanziert – es gibt zu wenig Therapieplätze und zu wenig vergütete psychosoziale Betreuung.
Für Familien:
Wenn ihr merkt, dass euer Kind oder ihr als Eltern psychisch leidet (Ängste, Überforderung, Konflikte rund um Diabetes):
Das ist kein Versagen, sondern eine bekannte Folge der Dauerbelastung. Sprecht euer Diabetesteam aktiv auf psychologische Unterstützung an und nutzt ggf. auch Online-Angebote und Selbsthilfegruppen.
4. Ungleichheit in der Versorgung: Nicht alle Kinder haben die gleichen Chancen
Aus den DPV-Registerdaten (dem großen deutschen Diabetesregister) geht hervor:
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- Über 90 % der Kinder mit Diabetes sind dort erfasst – wir haben also ein sehr gutes Bild der Versorgung.
- Kinder und Jugendliche aus sozioökonomisch benachteiligten Regionen haben:
- schlechtere HbA1c-Werte
- häufiger akute Komplikationen, insbesondere Ketoazidosen bei Manifestation
- eine schlechtere Versorgung mit moderner Technik.
- An Wochenenden und Feiertagen werden weniger Kinder diagnostiziert – dann kommt es häufiger zu schweren DKA bei Manifestation.
Für Familien:
Wohnt ihr in einer strukturell schwächeren Region, lohnt es sich besonders, aktiv zu werden:
- moderne Technik einfordern
- auf Schulung bestehen
- ggf. eine spezialisierte Kinderdiabetologie auch außerhalb des Wohnorts suchen.
5. Kita & Schule: Große Baustelle – große Bedeutung
Der Bericht sagt sehr deutlich, was Familien schon lange erleben:
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- Kinder mit Typ-1-Diabetes im Kita- und Grundschulalter können ihre Therapie nicht alleine managen.
- Pädagogisches Personal ist oft überlastet und fühlt sich nicht zuständig oder ausreichend geschult.
- Es gibt keine einheitliche bundesweite Lösung:
- In vielen Fällen müssen Eltern selbst eine Schulbegleitung beantragen,
- die Finanzierung ist von Bundesland zu Bundesland und sogar von Kommune zu Kommune unterschiedlich.
Änderungen in der Häuslichen Krankenpflegeverordnung und der neuen „Außerklinischen Intensivpflege“ haben die Situation eher komplizierter gemacht – einige Fälle landen vor Gericht, erste Urteile fielen zugunsten der Kinder aus.
Für Familien:
- Holt euch Unterstützung (z. B. Sozialberatung, Selbsthilfe, Elternnetzwerke), wenn es um Schulbegleitung/Kita-Unterstützung geht.
- Dokumentiert den Bedarf eures Kindes (Therapieaufwand, Unterzuckerungsgefahr etc.).
- Lasst euch nicht abspeisen mit „Das geht nicht“ – der Bericht zeigt: Hier ist offiziell eine Versorgungslücke.
6. Sport & Bewegung: Technik hilft, aktiv zu bleiben
Der Bericht macht Mut: Bewegung ist machbar – auch mit Diabetes, und Technik hilft dabei.
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- Schrittzähler, Aktivitätstracker, Smartphone-Apps und CGM können helfen, mehr Bewegung in den Alltag zu bringen und den Effekt auf den Blutzucker besser zu verstehen.
- Studien zeigen: Solche Tools steigern die Aktivität (z. B. >1.000 Schritte mehr pro Tag) und helfen, dran zu bleiben.
- Für Kinder und Jugendliche mit Typ-1-Diabetes sind CGM, Pumpen und AID-Systeme gerade beim Sport ein großer Vorteil, weil Trends früh sichtbar werden und Hypoglykämien besser vermeidbar sind.
Für Familien:
Sport ist nicht nur „erlaubt“, sondern ausdrücklich erwünscht. Nutzt eure Technik, besprecht Sportstrategien mit dem Team (Basalreduktion, Zielbereiche, Zusatz-KH) und lasst euer Kind seine Lieblingssportarten ausprobieren.
7. Früh erkennen & Forschung zur Prävention von Typ-1-Diabetes
Ein spannender Bereich des Berichts: Früherkennung und Immuntherapien beim Typ-1-Diabetes.
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- Bevor ein Diabetes „ausbricht“, gibt es oft jahrelang eine stille Autoimmunphase.
- Durch das Testen auf Inselautoantikörper (z. B. in Studien wie Fr1da) kann man diese Frühstadien erkennen, das Risiko besser einschätzen und Ketoazidosen bei Manifestation deutlich senken.
- Erste Immuntherapien (z. B. Teplizumab) können den Ausbruch bei Hochrisikopersonen um 2–3 Jahre verzögern, sind aber aktuell nur in den USA zugelassen und vor allem noch Forschungs- und Spezialthema.
Wichtig:
Es gibt noch keine Therapie, die Typ-1-Diabetes zuverlässig verhindert – aber die Forschung macht Fortschritte.
8. Politik & Stimme der Betroffenen
Der Bericht spart auch die politische Ebene nicht aus:
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- Eine echte Nationale Diabetesstrategie wird weiterhin nicht konsequent umgesetzt.
- Werbebeschränkungen für ungesunde Kinderlebensmittel wurden politisch ausgebremst, eine Zuckersteuer ist nicht in Sicht.
- Gleichzeitig wird viel zu wenig in Prävention und sprechende Medizin investiert.
Positiv:
Mit der Kampagne „Diabetes-Stimme – #SagEsLaut“ versucht die Community, politisch mehr Druck zu machen und Betroffene zu vernetzen.
Für Familien:
Eure Erfahrungen sind wichtig – ob in Selbsthilfegruppen, Online-Communities, Petitionen oder direkten Rückmeldungen an Politik und Kassen.
9. Was können Familien jetzt konkret mitnehmen?
Kurz zusammengefasst:
- Technik nutzen:
CGM und AID sind heute bei Kindern weit verbreitet und verbessern Stoffwechsel und Lebensqualität – fordert gute Schulung ein und fragt nach modernen Systemen, wenn ihr sie noch nicht habt. - Psyche ernst nehmen:
Belastung, Erschöpfung und Angst sind häufig und normal. Psychosoziale Unterstützung ist kein Luxus, sondern ein wichtiger Teil der Therapie – sprecht euer Team aktiv darauf an. - Rechte in Kita & Schule kennen:
Unterstützung ist notwendig und rechtlich begründbar – holt euch Hilfe, vernetzt euch mit anderen Eltern und bleibt dran, auch wenn es mühsam ist. - Ungleichheit ausgleichen:
Wenn ihr in einer Region mit schlechter Versorgung lebt, sucht euch – wenn möglich – ein spezialisiertes Zentrum, nutzt Online-Angebote und macht euren Bedarf deutlich. - Bewegung fördern:
Sport und Aktivität sind mit moderner Technik gut machbar. Schrittzähler, Apps und CGM helfen, Muster zu erkennen und Strategien zu entwickeln. - Forschung im Blick behalten:
Früherkennungsprogramme und neue Therapien kommen – sie ersetzen das Insulin nicht, können aber langfristig Veränderungen bringen. - Mitreden & laut sein:
Je stärker Familien und Betroffene sich zu Wort melden, desto eher werden Versorgungslücken, Schulprobleme und psychosoziale Themen auch politisch ernst genommen.
Den kompletten Bericht findet ihr unter https://www.ddg.info/fileadmin/user_upload/Gesundheitsbericht_2025_final.pdf
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