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Diabetes-Kids Expertenforum

Expertenrunde Diabetes Psychologie

„Psychologische Aspekte/Probleme bei Kindern und Jugendlichen mit Diabetes sowie deren Eltern“

für die Beantwortung der Fragen bedankt sich Diabeteskids ganz herzlich bei Frau Dr. Karin Lange, die für Rückfragen unter der E-Mailadresse drkarinlange@hotmail.com gerne zur Verfügung steht.

1. Wie gehts man mit Ess-störungen bei diabetischen Kinder um. Kinder merken sehr schnell, daß sie, nachdem Insulin gespritzt wurde, eine sehr große Macht ihren Eltern gegenüber besitzen und nutzen diese dann auch gerne. Häufig geht dann nur noch Süßkram.

Ich gehe davon aus, dass Ihr Kind noch recht jung ist, d. h. noch nicht oder gerade erst in den Kindergarten geht. Das Verhalten, das Sie beschreiben, ist sicherlich keine Ess-Störung, sondern recht normal. Warum? Die Vorliebe für süße Speisen ist uns Menschen angeboren, in der Steinzeit war das sicher ein Vorteil, heute in unserer Überflussgesellschaft ist es ein Problem, mit dem fast alle Eltern und auch viele Erwachsene zu kämpfen haben: Das Problem Schlaraffenland. Wir alle müssen lernen, einzuteilen, uns zu begrenzen, obwohl die Werbung uns an allen Ecken und Enden versucht, zu verführen. Das Sortiment an Supermarktkassen ist so ein ""Angriff"" auf viele Eltern, der nur schwer und oft mit viel Ärger abzuwehren ist. Nun zum Kind mit Diabetes: Ihre kleine Tochter? ist sehr pfiffig: Sie hat schon den zeitlichen Zusammenhang zwischen Insulin und Nahrung begriffen (wozu genau sicher noch nicht), sie weis auch schon, dass es den Eltern sehr wichtig ist, dass sie etwas isst (warum sicher noch nicht) und sie hat herausgefunden, dass Eltern hier die Stelle haben, an der man am besten um Süßigkeiten kämpfen kann. Vielleicht hatte sie hier auch schon Erfolg, und der motiviert, es immer wieder zu versuchen. Von Außen betrachtet eine intelligente Leistung des Kindes und noch keine Ess-Störung. Hinzu kommt, dass Kinder in diesem Alter sich als Person entdecken, ihre Möglichkeiten ausprobieren und lernen, sich durchzusetzen. Für Eltern ist die Situation dagegen verständlich sehr belastend. Was können Sie tun? Zuerst würde ich überlegen, wie ich mit Süßigkeiten umgehen würde, wenn das Kind keinen Diabetes hätte. Das wäre Ihre persönliche Leitlinie. Wahrscheinlich würden Sie ihrem Kind ab und zu eine Süßigkeit erlauben, aber nicht statt einer Mahlzeit. Für diese Süßigkeit würde ich dem Kind Insulin geben und es auch erklären (ganz einfach). Zu den Mahlzeiten gibt es die Speisen, die für die ganze Familie gedacht sind, ggf. eine süße Nachspeise. Wenn Ihre Tochter versucht, zu ""erpressen"", Ruhe bewahren (so schnell unterzuckert sie wahrscheinlich nicht, Sie sind dabei und können immer noch früh genug handeln). Wenn Ihre Tochter Hypoanzeichen erlebt, sind die unangenehm und meist mit Hunger verbunden. Dann gibt es Apfelsaft (Süßigkeiten wirken sowieso zu langsam) und fertig. Ähnlich konsequent (""hart"") kann man dem Kind sagen, dass es, wenn es nicht essen möchte, es lassen kann und vielleicht nur etwas trinkt (für Kinder sind das zwei sehr getrennte Dinge), z. B. ein Glas Milch, ein Glas Saft etc. , dann bekommt es auch die notwendigen Kohlenhydrate. Entscheidend ist auf Dauer die Konsequenz. Vielleicht überdenken Sie auch einmal, welches Vorbild Sie als Familie darstellen: Gibt es z. B. große Vorräte an Süßigkeiten (Verstecken bringt nichts, Kinder sind die besten Entdecker von solchen Verstecken). Die Aufgabe aller Eltern ist es, Kindern zu helfen, mit dem Überangebot umzugehen. Welche Tipps zum ""Einteilen"" kennen Sie? Bei kleinen Kindern können Sie eine Tagesmenge vorgeben (viel weiter können Kinder nicht denken), wann sie gegessen werden soll, darf ihr Kind entscheiden. Kleine Packungen sind günstiger als große. Die letzte Lösung für Kinder, die sehr unvorhersehbar essen, ist die, das Insulin nach der Mahlzeit zu spritzen. Dafür sind insbesondere die sehr schnell wirksamen Insulinanaloga geeignet. Sprechen Sie darüber mit Ihrem Kinderarzt. Es gibt übrigens eine Möglichkeit, das U-100-Insulin zu verdünnen, damit auch sehr geringe Mengen an Insulin genau dosiert werden können. Dazu erhalten Sie ebenfalls Informationen von Ihrem Kinderdiabetologen. Noch ein letzter Tipp für berechtigt ""genervte"" Eltern: Richard Rubin (Diabetologe und Vater eines inzwischen erwachsenen Kleinkindes mit Diabetes) hat viele praktische Tipps verständnisvoll und amüsant zusammengestellt (leider nur in Englisch): Sweet Kids. How to Balance Diabetes Control & Good Nutrition with Family Peace. B. Page Brackenridge & R. Rubin (1996) ADA, Alexandria.

2. Unser Sohn Leon(2,5 Jahre), seit 11/2000 DM wehrt sich immer noch heftig gegen das Spritzen. Wir empfinden diesen Kampf als sehr belastend. Ich bin Mittlerweise sicherlich nicht mehr hektisch, oder nervös beim Spritzen, so Das sich das auf das Kind übertragen könnte. Beim Fingerpieks gibt es keine Probleme. Was gibt es für Möglichkeiten, das Spritzen für uns erträglicher zu machen?
Auch Ihr Sohn ist in einem Alter, in dem er seinen Willen entdeckt und lernt, ihn durchzusetzen. Also kämpft er, wenn er etwas nicht möchte. Von Außen ist es sehr schwer, gute Tipps zu geben. Die Lösung können wahrscheinlich nur Sie finden, indem Sie herausfinden, warum Ihr Sohn solche Angst hat: das können Phantasien sein (Kinder in diesem Alter können solche Ideen und die Realität kaum unterscheiden), sie können es vielleicht herausfinden, wenn sie den Teddy Ihres Kindes fragen, was beim Spritzen so passiert, was doof ist; es kann auch die Vorstellung sein, dass dadurch etwas im Körper kaputt geht - vor allem beim Spritzen in den Bauch (Möglichkeit Arm, Bein oder Po, so daß er es nicht sieht). Manche Kinder sind abgelenkt, wenn sie kleine Aufgaben erhalten, die sehr ""wichtig"" sind, z. B. die Ampulle vorher schwenken und während des Spritzens weiterschwenken (zwar sinnlos, aber lenkt ab), Tupfer festhalten und ganz schnell auf die Injektionsstelle drücken - danach ""magisch"" pusten, damit der Schmerz ganz schnell verschwindet. Vielen jungen Kindern helfen magische Geschichten vom guten Insulin, das Kinder ganz stark macht, und liebevolle Rituale. Wenig Sinn hat es dagegen, lange mit einem so jungen Kind zu diskutieren, um sein Einverständnis zu erreichen. In der Regel eskaliert der Streit so weit, dass das Kind weint und schreit, aber oft nicht mehr weiß, weshalb. Im Prinzip machen Sie es bereits richtig: Injektion vorher in Ruhe vorbereiten, in Ruhe mit möglichst viel Selbstverständnis konsequent durchführen und den Protest des Kindes ertragen. Leider sind Sie in der Situation der meisten Eltern von so jungen Kindern, die eine Phase des Widerstands durchmachen müssen. Ein Trost: in der Regel ist sie nach einigen Wochen um und die Kinder werden sich daran später nicht erinnern (berichten uns heute Jugendliche, die weiterhin eine gute Beziehung zu ihren Eltern haben). Wichtig für Sie als Eltern: Helfen Sie sich beide gegenseitig, keine Schuldgefühle aufzubauen, Sie tun mit der Insulinbehandlung genau das Richtige für Ihr Kind.

3. Ich suche eine Möglichkeit meine Tochter (10)mit Werten unter 300 aufwachen zulassen ohne sie nachts zuwecken um sie spritzen zumüssen. Auch möchten wir gerne auf Semilente verzichten.
Als Psychologin kann ich auf diese medizinische Frage nicht im Detail anworten. Im Prinzip haben Sie aber bereits fast alle Lösungen angesprochen. Die Spätinjektion hat sich bei vielen Kindern als günstig erwiesen, ihre Familien berichten, daß die Eltern das Kind nach einigen Tagen spritzen können, ohne dass es wach wird (wäre über 14 Tage auszuprobieren); Das Semilente hat sich als andere gute Lösung erwiesen. Die Erfahrungen mit dem neuen Langzeitinsulinanalogon (Lantus (R)) bei Kindern reichen noch nicht aus, um endgültig etwas dazu zu sagen. Es ist in Deutschland für Kinder noch nicht zugelassen. Eine letzte Lösung wäre die Insulinpumpe, die bei Erwachsenen mit dem sogenannten Dawn-Phänomen (Blutzuckeranstiege am frühen Morgen) oft erfolgreich ist. Inzwischen wird an einigen pädiatrischen Zentren auch die Insulinpumpe eingesetzt, in den meisten Fällen aber erst in einem Alter, in dem Jugendliche sie selbst sicher bedienen können. Sie ist jedoch längst nicht immer ein Patentrezept und erfordert sehr viel Engagement für die Therapie. Dazu sollten Sie ein mit Insulinpumpen erfahrenes Diabetesteam befragen, das mit Ihnen überlegt, ob Ihr Kind die Voraussetzungen erfüllt, wie die Vorteile sind und welche Nachteile es gibt.

4. Wir denken über den Einsatz einer Pumpe nach. Unser Sohn ist 2,5 Jahre. Hat dieses überhaupt Sinn, wenn das Kind noch zu klein ist, um die Pumpe als etwas positives zu akzeptieren? Oder ist es nicht sinnvoller, zu warten, bis sich das Kind verstehen kann, das es mit einer pumpe leichter leben kann?
Die Erfahrungen mit einer Insulinpumpe bei so kleinen Kindern sind extrem begrenzt. Die wenigen Fälle sind aus psychologischer Sicht nicht aussagekräftig. Die Frage allgemein ist, was Sie von einer Pumpe für Ihr Kind erwarten, was mit einer anderen Therapie nicht zu erreichen ist. Dazu wäre ein Gespräch mit einem erfahrenen Kinderdiabetologen sinnvoll: dabei spielt der Insulinbedarf Ihres Kindes eine Rolle, die schwer einzuschätzende Bewegung, Essen und nicht Essen s. o. etc. Auch die Therapieziele müssen bei so jungen Kindern im Hinblick auf die besonderen Risiken durch Hypoglykämien individuell für Ihr Kind überlegt werden - das alles darf nicht mit dem Diabetes bei Erwachsenen gleichgesetzt werden. Unsere Erfahrungen der letzten 10 Jahre im Kinderkrankenhaus auf der Bult (Prof. Dr. Hürter/ PD Dr. Danne) zeigen, daß viele Kinder unter diesen Bedingungen mit Spritzen gut eingestellt sind. Die psychologische Erfahrung ist, dass viele der Eltern junger Kinder die Therapie sehr gut gestalten und auch altersentsprechend gute Werte erreichen - aber doch ständig das Gefühl haben, nicht genug zu tun, obwohl sie mit sich längst zufrieden und sogar Stolz auf ihre Leistung sein könnten. Zur Pumpe: Ob die Therapie mit einer Pumpe leichter ist, ist Einstellungssache. Was sie nicht kann, ist, das Insulin automatisch an den Bedarf anpassen, das muss der Pumpenträger immer selbst tun, d. h. messen, mitdenken, messen, denken usw......Für ein Kind hieße das, dass ständig ein pumpenerfahrener Erwachsener dabei ist, auch im Kindergarten, Spielkreis, bei den Großeltern etc. . Es ist zu überlegen, ob sich ein Kind unter dieser Bedingung seelisch normal entwickeln kann. Bei vielen spontanen Aktionen, Toben, Rutschen, Matschen oder im Schwimmbad, am Strand könnte sich die Pumpe auch als hinderlich erweisen. Ob der Aufwand für das Anlegen der Pumpe nun größer oder kleiner ist als regelmäßiges Spritzen mit einem Pen, darüber kann man sich streiten - es ist wieder Einstellungssache. Hier fehlen einfach noch Erfahrungen mit einer größeren Zahl von kleinen Kindern, um seriöse Antworten zu geben. Die Vorteile bei Jugendlichen, Insulingabe bei spontanen Mahlzeiten, Anpassung an geplanten Sport, lange Ausschlafen, sind für Kinder selbst nur begrenzt möglich (wenn es die Eltern für sie tun und dabei sind). Als Elternteil eines kleinen Kindes mit Diabetes würde ich folgende Überlegungen anstellen: Kinder mit Diabetes sind vor allem Kinder wie alle anderen (keine Diabetiker). Mit dieser Einstellung sollten sie heranwachsen. Sie haben das Recht, so erzogen zu werden, daß sie sich als Person mit vielen Facetten selbstbewußt erleben und sich später selbstsicher für ihre eigenen gesundheitlichen Bedürfnisse einsetzen können. Das Selbstbewußtsein kann nur entstehen, wenn Kinder mit anderen zusammen sein können, sich beweisen, eigene Interessen (jenseits des Diabetes) entwickeln und altersgemäß selbständig sein können. Wenn das alles bei akzeptablen Blutzuckerwerten ohne die ständige Betonung des Diabetes erreicht wird, haben Eltern sehr viel geschafft. Es bleibt zu überlegen, ob Sie dies in Ihrer Familie mit einer Pumpe besser erreichen können als mit Spritzen. Konkrete repräsentative Daten fehlen hierzu noch. Es bleibt nur, im Einzelfall mögliche Vorteile/Erwartungen und Nachteile genau zu bedenken und mit dem Kinderdiabetologen für die aktuelle Lebenssituation des Kindes zu klären, welche Therapieform derzeit am günstigsten für Ihre Familie ist. Spielen Sie dazu einfach mal Ihren typischen Alltag Schritt für Schritt durch.

5. Christian (7Jahre) hat seit 08/01 DM er meistert es eigentlich schon super, macht fast alles alleine. Das einzige, was uns zum Wahnsinn treibt ist, dass wir wenn es zu hause heißt BZ messen, häufig erstmal eine Diskussion führen müssen, bis er dann mißt bzw messen läßt. Es ist ziemlich nerven aufreibend, zumal er ja weiß, dass er sowieso nicht drum herum kommt. Wir sind immer wieder unsicher, wie wir damit umgehen sollen.
Haben Sie eine Idee, warum Christian das macht? Dann ergibt sich die Lösung meist von selbst. Vielleicht hat er Angst vor dem Ergebnis (Enttäuschung oder Angst vor schlimmen Folgen), Ihre traurige Reaktion (die er Ihnen am Gesicht ablesen kann, ohne, dass Sie ein Wort sagen). Hier hilft oft der Satz, ""Du bist okay, nur der Zucker ist zu hoch. Gut, dass Du gemessen hast, dann kriegen wir ihn schnell runter"". (Trennung der Bewertung des Kindes (Zuneigung) von seinem Blutzuckerwert). Es kann aber auch etwas ganz anderes sein, z. B. die ""nervige Kontrolle"" der Eltern. Hier wäre zu überlegen, ob Sie den Wunsch nach mehr Selbständigkeit auch hier nutzen könnten (wenn er x-mal selbst daran gedacht hat, bevor die Eltern ""nerven"", gibt es eine Belohnung). Mit Abstand: Christian ist erst 7 Jahre alt, und das, was er jetzt schon leistet, ist toll. Das sollte er auch wissen. Kinder in diesem Alter (mit und ohne Diabetes) haben auch das Recht, einmal nicht zu wollen oder mit der Regelmäßigkeit überfordert zu sein. ""Diabetes ist einfach nicht kindgerecht"". Dafür sind die Eltern da, die für sie verantwortlich sorgen, dazu gehört auch Ihre Konsequenz beim Messen, die Sie gut und richtig vorleben.

6. Wir haben ein Problem mit unserem Sohn Andreas (9): Er kann abends nicht einschlafen und hat morgens Probleme, wach zu werden. Mit Messen und Spritzen wird es dann morgens ziemlich stressig, ihn rechtzeitig in die Schule zu schaffen. Wenn er einmal wach ist, ist er guten Willens; aber das dauuuuert. Nun wissen wir nicht genau, ob dies ein ""Psychologisches"" Problem ist, aber vielleicht gibt es doch gute Ratschläge. Übrigens ist Andreas ein recht guter Schüler und geht gern zur Schule, so daß es nicht daran liegen kann, daß er die Schule nicht mag (meinen wir).
Es ist ein psychologisches Thema, denn die Psychologie beschäftigt sich vor allem mit ""normalem"" Verhalten und u.a. auch mit Verhaltensstörungen. Es ist normal, dass ""wer sehr spät ins Bett geht, morgens schlecht raus kommt"". Dass Menschen im Halbschlaf keine Lust haben, den Blutzucker zu kontrollieren etc. ist auch normal. Die Frage bleibt: Warum schläft Ihr Sohn so schlecht ein und wie schläft er? Kann es z. B. sein, dass sein Blutzucker abends recht niedrig ist (dicht an der Hypo?), dann kann man schlecht einschlafen, weil der Körper aktiviert ist. Kann es sein, daß sein Blutzucker in der Nacht sehr weit absinkt (längst nicht immer werden Kinder davon wach und nicht immer findet man morgens deutliche Anzeichen einer nächtlichen Hypo. Dann ist man morgens auch eher wie ""gerädert"" und kommt schlecht raus. Tipp: Mit dem Kinderdiabetologen über den Blutzuckerzielwert vor allem vor dem Einschlafen sprechen, ggf. nachts messen. Es können aber viele andere Gründe sein, warum Kinder schlecht einschlafen können: z. B. aufregende Fernsehsendungen, die phantasievolle Kinder bis in den Schlaf verfolgen, zu wenig Bewegung (Sport) am Tag, große (fette) Mahlzeiten am späteren Abend, Sorgen, die nicht gelöst sind (ein ruhiges Gespräch beim ins Bett bringen kann helfen), manchmal helfen auch Entspannungskassetten für Kinder (dabei werden Entspannungsverfahren in kindgemäße Geschichten verpackt) manchmal ist es im Zimmer einfach zu laut oder zu warm (schlecht gelüftet). Schließlich gibt es unterschiedliche Typen von Aufstehern (1. diejenigen, die die Augen aufschlagen und gleich losrennen können (bei ihnen steigt der Blutzucker mit dem Aufwachen durch die Hormone gleich an, wenn sie Diabetes haben. 2) Menschen, die immer eine Viertelstunde brauchen, bis endlich ein Auge aufgeht, bei ihnen steigt der Blutzucker meist nicht so an, wenn sie Diabetes haben, aber es dauuuert. Wahrscheinlich gehört Ihr Sohn eher zur zweiten Gruppe. Er ist ein ""Typ"" (auch so etwas ist Teil einer Persönlichkeit), der den Wecker morgens früher stellen muß.

7. Unsere Tochter hat seit 1 Jahr DM.Seit über 2 Jahren treten bei ihr Bauchschmerzen auf, die nicht geklärt werden konnten. Seit August haben die Bauchschmerzen sich verschlimmert und seitdem kriegen wir auch die Werte nicht mehr in den Griff.Meine Tochter hat Angst vor jeder Blutzuckermessung, da sie immer wieder über die Werte enttäuscht ist, obwohl wir uns genau nach den BE s richten.Auch beim letzten Klinikaufenthalt konnte keine Ursache gefunden werden.
So, wie ich Sie verstehe, ist Ihr Kind körperlich gesund. Bauchschmerzen ohne ersichtliche körperliche Ursache sind in der Kinderheilkunde ein häufiges Problem, unter dem die Kinder wirklich leiden - die Schmerzen sind nicht eingebildet. Sie sind häufig Folge großer seelischer Belastungen eines Kindes. Die seelischen Belastungen können sich aus verschiedensten Gründen ergeben, manchmal sind die Anlässe dramatisch (Verlusterlebnisse, Angst vor dem Verlust eines Elternteils), es können aber auch Kleinigkeiten sein, die vor allem sensible, phantasievolle und ehrgeizige Kinder ungeheuer belasten können. Die seelische Belastung entsteht dabei immer im Kopf: Der Philosoph Epiktet sagte dazu: ""Es sind nicht die Dinge, die Menschen belasten, sondern ihre Vorstellung von den Dingen."" Was ist zu tun? Zuerst muß geklärt werden, was Ihr Kind so sehr besorgt. Dann würde man ihm helfen, mit den Sorgen anders umzugehen (nicht in sich ""reinfressen"", sondern darüber sprechen, sich wehren oder relativieren (z. B. Ehrgeiz, der oft mit der Angst gekoppelt ist, bei schlechten Leistungen nicht gemocht zu werden), d. h. Angst aktiv abbauen. Aus Ihrer Frage lese ich, dass Ihre Tochter sehr sensibel ist (das hat viele Vorteile, aber auch den Nachteil, dass sie sich viel zu Herzen nimmt). Hier braucht sie Hilfe, um manchmal ein dickeres Fell zu haben. Es wäre eine Möglichkeit, mit Ihrem Problem einen Kinderpsychologen aufzusuchen, der Ihrer Tochter dabei helfen kann und Ihnen Tipps für den Alltag gibt (Adressen : Ihre Krankenkasse, Telefonbuch oder einfach eine Erziehungsberatungsstelle aufsuchen). Das ist ganz unabhängig vom Diabetes. Nun zum Diabetes: Nach einem Jahr Diabetesdauer ist die Remissionsphase bei vielen Kindern um, es wird kein eigenes Insulin mehr gebildet. Die Blutzuckerwerte schwanken deshalb deutlich mehr als vorher, und es gibt viele Enttäuschungen. Nicht nur das Essen (BE) hat Einfluß auf den Blutzucker, sondern auch viele andere Dinge, die man erst nach und nach kennenlernen muß. Und trotzdem wird es kaum möglich sein, immer sehr gute Werte zu erreichen, weil der menschliche Körper keine berechenbare Maschine ist. Eine Folgeschulung für ""Fortgeschrittene"" könnte Ihnen als Eltern jetzt helfen, den Diabetes noch besser zu verstehen. Viele Inhalte finden Sie auch in einem Elternbuch, das Prof. Dr. Hürter und ich geschrieben haben. (Kinder und Jugendliche mit Diabetes. Springer Verlag). Dort finden Sie auch ein ausführliches Kapitel zum Thema Stress und Diabetes. Dazu kurz: Bei Stress werden Stresshormone ausgeschüttet, die der Wirkung des Insulins entgegenstehen. Deshalb gibt es Kinder mit Diabetes, deren Stoffwechsel unter einer seelischen Dauerbelastung sehr schwankt. Die Erfahrung vieler Jahre zeigt, daß z. B. das HbA1c von Kindern, deren Eltern sich gerade trennen, häufig deutlich ansteigt. Aber auch bei sehr ehrgeizigen Kindern steigt der Blutzucker bei Sportwettkämpfen (durch Stress) deutlich an, obwohl er durch den Sport absinken müßte. Hier könnte ein weiterer Grund für die Schwankungen Ihrer Tochter liegen. Es könnte Ihr vielleicht helfen, noch einmal genau zu besprechen, welche Blutzuckerwerte in ihrer Situation gut sind, damit sie nicht durch zu hohe unerreichbare Ziele verzweifelt. Sie muß auch wissen, dass sie nicht an jedem Wert ""Schuld"" hat, damit sich sich selbst entlasten kann. ""Ihre Tochter ist immer okay und wird gemocht, egal ob die Werte zu hoch, normal oder zu niedrig sind."" Davon sollte sie möglichst überzeugt sein.

8. Wie kann ich meiner Tochter (6, seit fast vier Jahren DM)die Notwendigkeit von ""guten"" Werten erklären, ohne Schuldgefühle und Angst zu fördern? Das Wort ""schlecht"" vermeide ich, wenn es um die BZ-Werte geht, Folgeschäden sind für ein Kind auch nicht einzusehen, aber sie sollte sich ja doch an die Regeln halten.
Sie sprechen ein sehr schwieriges Thema an. Sie als Mutter müssen Ihrem Kind etwas erklären, das es noch nicht richtig und in seiner Tragweite verstehen kann. So wie Sie es versuchen, ist es aus meiner Sicht ein guter Weg. Ihr Kind benötigt eine Idee, warum überhaupt überprüft werden muß, wie der Blutzuckerwert ist. Und Ihre Tochter möchte wie jedes Kind in dem Alter wissen, was richtig oder falsch ist. In dem Schulungsprogramm für Kinder (""Jan-Programm"") haben wir uns als Autoren auf eine sehr einfache Logik verständigt. ""Bei Kindern mit Diabetes wird im Körper kein eigenes Insulin gemacht, das kommt einfach so, da kann niemand etwas dafür. Zum Glück gibt es Insulin, das man spritzen kann. Das tun alle Kinder mit Diabetes. Weil im Körper Insulin und Essen gut zu einander passen sollen, muß man immer nachsehen, ob es genug Insulin war, zu viel oder zu wenig. Deshalb schaut man nach. Wenn der Wert hoch ist, war es zu wenig Insulin. Wenn der Wert zu niedrig ist, war es zu viel Insulin. Warum ist das wichtig? Wenn es zu viel Insulin war, ist der Blutzucker zu niedrig und man bekommt weiche Knie. Das will keiner. Wenn er immer sehr hoch ist, haben Kinder nicht so viel Kraft und müssen oft auf die Toilette. Das will auch keiner. Die richtige Menge Insulin ist wichtig, damit man so stark ist und gut wächst wie alle anderen Kinder auch."" Ich lese aus Ihrer Frage, dass Sie sich bemühen, Ihrem Kind keine Angst zu machen. Das ist für ein Kind in dem Alter genau richtig. Vielleicht hilft Ihnen der Gedanke, dass Sie von Ihrem Kind, wie alle Eltern auch, die Einhaltung anderer Regeln einfordern, deren Gründe Sie auch nicht im Detail erklären können, z. B. im Straßenverkehr, Hygiene, Umgang mit anderen Menschen. Hier fällt es einem oft leichter zu sagen, das ist eben so, weil es richtig ist.

9. Unser Christian(6)hat seit Juli 01 DM. Er mißt selbst BZ und spritzt sich mittlerweile auch selber.(Kein Pen)Seit einiger Zeit sind aber die Werte unerklärlich hoch- welche Ursachen auch immer-.Wir haben mit ihm noch nicht über eine Pumpe gesprochen, da wir uns noch sehr unsicher sind, ob die für ihn in Frage käme.Da er nächstes Jahr in die Schule kommt, ist dann vielleicht eine Pumpe besser, da er dann nicht immer spritzen müßte?? Was würden Sie uns raten?
Ihr kleiner Sohn ist für sein Alter schon sehr weit und leistet wirklich viel, er braucht aber ganz sicher und noch einige Jahre Ihre Hilfe und Unterstützung. Die höheren Blutzuckerwerte können viele Erklärungen haben, die Sie mit Ihrem Kinderdiabetologen persönlich besprechen sollten. Da der Körper etwa im ersten Jahr nach der Diabetesdiagnose noch eigenes Insulin herstellt (Remissionsphase) ist der Blutzucker in dieser Zeit sehr stabil. Das körpereigene Insulin fängt Versorgungslücken auf. Nach und nach wird aber immer weniger körpereigenes Insulin produziert, bald hört die Produktion auf. Dann benötigt ein Kind deutlich mehr Insulin als am Anfang. Außerdem wirken sich alle möglichen Einflüsse auf den Stoffwechsel sehr viel mehr aus als am Anfang. Vielleicht ist Ihr Sohn an diesem Punkt angekommen. Für Sie als Eltern wäre es nun wichtig zu lernen, was alles den Stoffwechsel Ihres Kindes wie beeinflussen kann und wie Sie darauf richtig reagieren können. Das wäre die sogenannte intensivierte Insulintherapie. Einige Diabeteszentren bieten Schulungen für Eltern an, die schon einige Erfahrungen gesammelt haben und nun die Feinheiten erlernen wollen. Fragen Sie Ihren Kinderdiabetologen einmal danach. Derzeit läuft im Zusammenhang mit dem neuen Schulungsbuch für Eltern von Kindern mit Diabetes (Hürter, Lange 2001 Springer Verlag) eine Aktion, in der sich viele Kinderkliniken auf solche Fortgeschrittenen-Schulungen für Eltern vorbereiten. Zur Pumpe: Sie ist (neben der Therapie mit mehreren Injektionen täglich) eine Form der Insulingabe nach dem Prinzip der intensivierten Insulintherapie. Sie kann sehr erfolgreich sein, wenn der Pumpenträger ein sehr gutes Wissen über die Reaktionen seines Stoffwechsels hat, die passende Insulinmenge berechnen kann und sie sich dann gibt. Das wäre bei Ihrem kleinen Sohn Ihre ständige Aufgabe, denn er ist damit auf jeden Fall überfordert und hat bald auch andere Aufgaben: Rechnen, Lesen, Schreiben lernen, mit anderen Kindern gut umgehen, sich als kleine Persönlichkeit beweisen.....Weitere Überlegungen zum Thema Pumpe, die ich anstellen würde, finden Sie weiter oben bei ähnlichen Fragen.

10. Unsere Tochter (6Jahre) hat seit 2Jahren Diabetes, und im Monent haben wir sehr hohe Nüchternblutzuckerwerte (meistens um die 200mg) und ich habe mir schon überlegt, ob wir nicht auf eine Insulinpumpe umstellen sollen. Ab wieviel Jahren ist eine Pumpentherapie bei Kindern möglich?
Ihre Frage deckt sich mit denen von Frau Sohn, Herrn Deilmann und anderen Eltern. Die Antwort darauf kann nur zusammen mit einem Kinderdiabetologen für jede Familie persönlich gefunden werden. Aus psychologischer Sicht ist dabei zu überlegen, ob es einer Familie mit Pumpe oder mehrfachen Injektionen besser gelingt, einen kindgemäßen und ausgeglichenen Alltag ohne ständige Gedanken an den Diabetes zu gestalten.

11. Ich hätte gern mal gewusst, ob es einen bekannten Zusammenhang von Verhalten oder Benehmen bei Kindern und DM gibt.Mein Sohn, jetzt 7, seit fast 2 Jahren DM, hat als Kleinkind schon gewaltige Wutanfälle gehabt, die ich nur in den Griff gekriegt hab, wenn ich irgendwas wie Saft in ihn reingekriegt hab. Irgendwie war mir damals schon klar, dass diese Anfälle etwas mit der Körperchemie zu tun haben. Man konnte zusehen wie sich das Kind beruhigte - und heute ist es oft noch so, wenn er unterzuckert ist. Krieg ich Zucker in ihn rein, ist in 10 Minuten die Welt wieder in Ordnung.Wir waren wegen den Anfällen, wo er auch nicht mehr rational denken oder Sprache benutzen kann, ganz früh bei Psychologen, aber niemand kam auf die Idee mal Blutprobe zu machen. Leider komm ich oft nicht gut an ihn heran wenn er im Anfall ist um BZ zu messen, aber ich merke, dass er manchmal auch ganz normale (selten) oder zu hohe Werte hat.Mein Diabetes Team und Artzt wissen uns nicht zu helfen - kennen Sie zufällig Fälle wo ein eindeutiger Zusammenhang zwischen Blutchemie und Verhalten existiert?
Sie haben Ihr Kind sehr gut beobachtet, und das Phänomen ist seit langem bekannt. Während der Unterzuckerung ist das Gehirn nicht ausreichend mit Energie (Glukose) versorgt. Das hat u. a. auch typische Folgen für das Erleben und Verhalten. Erwachsene mit Diabetes berichten, daß sich ihre Stimmung verändert, wenn sie zu niedrig sind. Sie fühlen sich auf einmal sehr traurig, aggressiv oder auch albern und können ihr Gefühl nicht in den Griff bekommen. Typische Anzeichen des Glukosemangels im Gehirn sind auch Verzögerungen im Denken, in der Sprache, man kann sich nicht entscheiden, alles wird zu viel. Es ist kein Wunder, dass Kinder unter solchen Bedingungen Angst bekommen oder auch aggressiv reagieren. Es fehlt einfach die Energie, um sich mit vernünftigen Gedanken gegen seine Gefühle zu stellen. Auch ohne Diabetes kennen Sie vielleicht solche Situationen: Wenn Sie den ganzen Tag gearbeitet haben, kaum zum Essen gekommen und total kaputt sind, dann reagieren wahrscheinlich auch Sie sehr dünnhäutig. Ein falsches Wort bringt Sie zum Weinen oder auf die Palme und Sie können nichts dagegen tun. Ähnlich ist es während einer Hypo. Ihrem Kind hilft es dabei am besten, wenn Sie ganz ruhig und liebevoll, aber bestimmt mit ihm umgehen, ihm Saft oder Zucker geben, ihm sagen, dass er auch runterschlucken soll. Alles, was Ihr Sohn in dieser Situation sagt, sollten Sie nicht auf die Goldwaage legen. Zu Ihren Erfahrungen vor der Diabetesdiagnose: Selbstverständlich gibt es für Gefühle auch einen Ort im Gehirn, in dem sie sich ""chemisch"" abbilden. Die moderne Hirnforschung arbeitet heute sehr viel daran, wie sich z. B. Depression oder auch Aggressivität durch bestimmte ""Hirn-Stoffwechselprozesse"" erklären lassen. Die Zusammenhänge sind jedoch sehr kompliziert. Was man jedoch sagen kann, ist, dass es Menschen gibt, bei denen es durch äußere Ereignisse schneller zu heftigen Gefühlen kommt als bei anderen. In den letzten Jahren hat sich diese Forschung vor allem im Bereich der ""Hyperaktiven Kinder"" auch ADS-Syndrom genannt abgespielt. Das Besondere bei diesen Kindern ist, daß sie sehr sensibel sind und bei Überforderung mit großer Aktivität und auch Aggressivität reagieren, gegen die sie sich nur schwer wehren können. Manche Forscher sehen dabei auch Zusammenhänge mit der Ernährung der Kinder, andere stehen dieser Hypothese kritisch gegenüber. Hier muß noch viel geforscht werden. Zu ihrem Sohn: Einzelne Wutausbrüche, bei denen kleine Kinder kaum noch zugänglich sind, sind normal. Sie erfahren ihre Grenzen, können nichts tun - es fehlen die Worte und die Argumente - und das Gefühl der Machtlosigkeit beherrscht sie. Wenn Eltern darauf aggressiv reagieren, steigert sich die Wut wechselseitig. Es ist die Aufgabe aller Kinder, zu lernen, wie sie mit Enttäuschungen und Frustrationen umgehen können und wie sie sich selbst wieder beruhigen. Dabei gibt es bereits bei kleinen Kindern unterschiedliche ""Persönlichkeiten"": eher ruhige, die sich nicht beeinflussen lassen und andere, die es schwer ertragen, etwas nicht zu bekommen. ......Wie war wohl ein heute durchsetzungsfähiger Manager als kleines Kind? Wichtig für alle Eltern in Ihrer Situation: Aggressivität kann Zeichen einer Hypo sein, aber längst nicht jede Gefühlsregung hat etwas mit dem Blutzucker zu tun. Kinder mit Diabetes sind Kinder wie alle anderen, die sich freuen, ärgern und mit Wutausbrüchen kämpfen. Wenn es geht, sollten Eltern darauf wie bei allen Kindern reagieren und ihnen helfen mit den Gefühlen, die zum Leben gehören, gut umzugehen. Der Stoffwechsel sollte dabei nicht im Vordergrund stehen.

12. Wie verhält man sich beim Restaurantbesuch richtig? Unserem Sohn wurde im Urlaub im Restaurant Haus Hammersbach verboten im Restaurant Insulin zu spritzen. Er kann das auch in anderen Räumen z.B. in der toilette machen,so der Restaurantchef.Wie verhält man sich richtig? Gibt es Bestimmungen für Restaurants?
Auch hier ist es schwierig, eine gute Antwort zu finden. Es kommt auf die Situation an. Meines Wissens gibt es keine Bestimmungen für das Verhalten von Menschen mit Diabetes im Restaurant. Ich glaube, das wäre auch wirklich zu viel der Bürokratie. Im begrenzten Rahmen hat jeder Gastwirt ein Hausrecht, d. h. er darf Gäste, die andere stören, z. B. weil sie im Nichtraucherbereich rauchen, aus seiner Gaststätte verweisen. Zum Spritzen im Restaurant: Es gibt Gründe dafür, im Restaurant zu spritzen, z. B. es geht schneller, man muss nicht aufstehen, die Toiletten sind nicht angenehm und vieles andere mehr. Es gibt auch gute Gründe dagegen, z. B. es braucht nicht jeder zu sehen, manche Menschen haben Angst vor Spritzen oder ekeln sich vor Blut, sie fühlen sich dadurch bei einem genussvollen Essen gestört. Es ist sicher eine Frage des eigenen Stils, der Einschätzung der Situation und der Einschätzung der Beteiligten, ob man im Restaurant so offen spritzt, daß man andere damit vielleicht sogar provoziert (macht manchen Jugendlichen in der Gruppe sogar richtig Spaß, ob das angemessen ist, bleibt eine andere Frage), ob man es diskret macht, oder ob man lieber in Ruhe auf die Toilette geht. Wenn Freunde dabei sind, für die der Diabetes alltäglich ist, kann man am Tisch spritzen, ohne dass darüber ein Wort verloren wird, es gehört dazu. In der Regel bemerkt es sogar niemand. Bei einem Geschäftsessen mit eher fremden Menschen wäre Diabetes auf einmal das Thema. Ob man das nun gerade will? Wenn es sehr fein zugeht, wäre es für mich nicht ganz so passend, den blutigen Teststreifen auf den Tisch zu legen. Aber letztendlich ist das eine Sache des persönlichen Stils und der gegenseitigen Rücksichtnahme. Zum Fall Ihres Sohnes kann ich schwer etwas Faires sagen, denn dazu müsste ich wissen, wie es überhaupt zu der Auseinandersetzung gekommen ist.

13. Mich würde interessieren wie man eine 12-jährige dazu bringt mit Ihrem DM selbständiger umzugehen. Sie hat DM seit Feb. 01. Ich als Mutter muß mich um alles kümmern. Nach anfänglichem Betteln misst sie zwar selbst, aber wenn sie gefragt wird, was sie spritzen muß, keine Reaktion, sie weiß nicht einmal wieviel I.E. pro BE (Interessiert sie auch nicht, Hauptsache ich bekomme genug zu essen.). Soll ich sie einmal total hängen lassen (und fatale Werte riskieren), zumal sie Ende März ganz gerne ins Schullandheim mitfahren würde? Oder sind das zur Zeit ganz normale pupertäre Erscheinungen.

Meine Antwort beginnt wieder mit einer Frage: Warum verhält sich Ihre Tochter so? Es muß gute Gründe dafür geben, dass eine 12jährige nichts für ihren Diabetes tun will. Wenn diese erkannt sind, gibt es Wege, Ihrer Tochter zu helfen. 1) Wie hat sie die Diagnose erlebt? Will sie die Erkrankung überhaupt wahrhaben oder tut sie so, als sei es gar nicht wahr. 2) Versteht sie die Ziele der Behandlung und sind es auch ihre eigenen Ziele? 3) Ist sie geistig oder seelisch überfordert? 4) Was bedeutet die Erkrankung gerade in der Phase der Pubertät für sie - Rückfall in die Kindheit/Unselbständigkeit? Was wären die Interessen und Ziele Ihrer Tochter im Zusammenhang mit dem Diabetes? Die Schwierigkeit für Sie als Mutter einer Tochter in der Pubertät ist, dass einerseits eine Ablösung stattfindet (bei der sich manche Jugendliche aus der eigenen Unsicherheit heraus sehr kränkend gegenüber den Eltern verhalten) andererseits ihre Hilfe noch wichtig ist. Für beide Seiten ist das eine schwierige Aufgabe - die keinesfalls selten ist. Was kann helfen? Zum einen ein Gespräch (Tochter Mutter/Eltern) mit dem Diabetesteam, ggf auch der Psychologin über die Ziele Ihrer Tochter in der nächsten Zeit, d. h. nicht nur Diabetes, sondern auch Selbständigkeit allgemein. Dann könnte Ihrer Tochter ein Training für Jugendliche mit Diabetes helfen. Dort wird nicht nur Wissen vermittelt, sondern auch geübt und die Selbständigkeit der Jugendlichen gefördert. Die Beispiele anderer Jugendlicher sind dabei sehr wichtig. Schließlich haben Sie selbst schon eine Idee: das Schullandheim. Wenn Ihre Tochter den Diabetes nicht behandeln kann, wäre es zu gefährlich, sie allein reisen zu lassen. Mit Mutter wäre es Ihr wahrscheinlich auch nicht recht. Folgender Vorschlag hat sich bei vielen Familien bewährt: Das Kind darf eine Woche lang wirklich alles zu seiner Behandlung fragen, bekommt alles geduldig, ohne Vorwürfe erklärt, dann darf es für ein paar Tage alles allein machen, ohne daß die Eltern ständig fragen "wie war Dein Wert?" Danach wird ehrlich und in Ruhe besprochen, was gut geklappt hat, wo noch etwas fehlt. Dabei sollten die Ziele realistisch sein, damit Ihre Tochter auch eine gute Chance auf Erfolg hat. Tipp: Statt Vorwürfe oder Zweifel hat der ehrlich gemeinte Satz: "Ich traue Dir zu, daß Du es nach einiger Zeit schaffst" große Wirkung auf die Motivation von Jugendlichen. Die meisten Eltern erleben dann die Überraschung, daß überhaupt keine Katastrophe eintritt, sondern zumindest der Landheimaufenthalt sehr gut läuft. Ausführlich finden Sie auch zum Thema Selbständigkeit, Reisen und Pubertät etwas in unserem Buch s. o. und im Buch von R. Rubin.

14. Meine Tochter Carla (6 Jahre, DM seit 08/2000) fand es am Anfang im Kiga fast schon cool, wenn sie gemessen hat. Mittlerweile kommt sie anscheinend in das Alter, wo ihr ihr "Andersein" schon peinlich ist (was bei DM ja ganz schlecht ist, denn es ist halt immer präsent). Sie kommt im September in die Grundschule, im April sind wir zur Schulung und Umstellung auf ICT 4 Wochen auf Sylt. Was können wir als Eltern ihr mitgeben, um ihr Selbstbewußtsein zu stärken? Wie können wir ihr verständlich machen, daß sie auch selbstständig den Blutzucker in der Schule kontrollieren muß und sich eben nicht für etwas zu schämen braucht, wofür sie nichts kann? Eines morgens kam der Satz: "Wenn der sch.. Diabets nicht mehr weggeht, dann will ich nicht mehr leben!" Das klang schon ziemlich verzweifelt und ich wußte überhaupt nicht, wie ich reagieren sollte, weil ich selber so geschockt war. Vielleicht haben Sie ja auch hierzu einen Tipp, was man in solch einer Situation erwidern kann.
Es ist nicht schlecht, dass Ihrer Tochter bewusst wird, das bei Ihr etwas anders ist als bei anderen Kindern, das ist normal und der Realität des Diabetes angemessen. Sie muss nun lernen, damit selbstbewusst besser selbstverständlich umzugehen. Ihre Idee, das Selbstbewusstsein Ihres Kindes zu stärken, ist sehr gut. Dazu die wichtige Frage: was kann Ihre Tochter besonders gut, was interessiert sie, wo hat sie ihre persönlichen Stärken? Hier sollte sie erfahren, daß sie für andere Menschen wichtig ist und gut ist. Dabei kommt es nicht auf Leistung im Sinne von Noten oder Urkunden an. Wir fragen die Eltern dazu: Wo ist Ihr Kind toll? Dann haben sie meist eine Idee. Auf Sylt wird Ihr Kind gemeinsam mit anderen Kindern mit Diabetes sehr viel spielerisch lernen. Auch das wird ihr Selbstbewusstsein stärken. Nun ist Carla 6 Jahre alt und ein kleines Mädchen, das in der Schule alles mögliche lernen muss (s. o.), die Diabetestherapie ist für sie noch zu schwer. Welchen Nutzen hätte es, wenn Ihr Kind bei dem geringen Anfangsunterricht seinen Blutzucker in der Schule regelmäßig messen würde? Könnte Carla die Werte allein richtig interpretieren (Vorsicht: gefährliche Fehler)? Könnte Carla allein Entscheidungen zu ihrer Therapie fällen? Die intensivierte Insulintherapie bei so jungen Kindern verantworten allein die Eltern. Dabei gibt es Formen, bei denen die kleinen Kinder in der Schule normalerweise weder messen noch spritzen müssen. Wenn Carla nicht sicher ist, ob sie eine Hypo hat, dann wäre eine Blutzuckermessung in der Schule sinnvoll. Aber auch dabei sollte sie Hilfe von der Lehrerin erhalten. Das müssten Sie zuvor mit der Lehrerin besprechen. Ich kann mir vorstellen, daß Ihre Tochter sich als ein Mädchen sieht wie alle anderen und auch in der Schule so anfangen möchte. Und da gibt es genug aufregende Dinge für alle Kinder, z. B. wer sitzt neben wem, finde ich Freunde etc.? Deshalb sollte der Diabetes für Carla eher im Hintergrund stehen (ein entsprechendes Gespräch mit der Lehrerin) und dann findet sich bald eine Form des "normalen" Umgehens mit dem Diabetes. Sie könnte z. B. zusammen mit Ihnen eine Art "Diabetesschulung" für ihre besten Freundinnen spielen, wenn sie möchte. Dann fällt es in der Schule leichter, schnell mal zu messen. Dieser Satz ist leider nicht selten, wenn Kinder nach einer Zeit, in der Diabetes noch etwas Interessantes und Neues war, nun zur langweiligen und anstrengenden Realität wird. Kinder begreifen erst nach längerer Zeit, was chronisch bedeutet, und sie machen dann genau das durch, was Eltern bei der Diagnose des Diabetes gefühlt haben. Sie sind verzweifelt. Die richtige Reaktion?  Vertrauen Sie Ihrem Gefühl als Mutter und tun Sie das, was Ihnen spontan in den Sinn kommt. Was wäre das? Wahrscheinlich: in den Arm nehmen, trösten, und Ihrem Kind zeigen, daß es auf Sie als Eltern bauen kann. Ehrliche Gefühle sind dabei hilfreicher als wohlgewählte Worte. Wichtig wäre, daß Ihr Kind das Gefühl hat, sie verstehen es, nehmen seine Sorgen ernst und es kann mit allem zu Ihnen kommen. Das Verständnis und das Gespräch mit Eltern hilft Kindern, die eigenen Gefühle einzuordnen und damit besser umzugehen. Dabei ist es wichtig, dass Kinder den Diabetes auch doof oder sch... finden dürfen, ohne Widerspruch  Es ist ja auch so, und der Diabetes ist auch unfair. Jeder, der davon betroffen ist, auch Eltern, haben das Recht, solche Gefühle zu haben, auszudrücken und Verständnis zu finden. Das Verständnis ist ein guter Ausgangspunkt, um sich gemeinsam wieder Mut zu machen, dem Kind zu zeigen, daß man sich als Familie aber von dem "blöden Diabetes" nicht "unterkriegen" lässt und die vielen schönen Seiten des Lebens genießen wird. Ein Kind braucht in dieser Phase Zeit und liebevolle Zuwendung, um sich mit dem Diabetes auseinanderzusetzen. Zuhören ist ein wichtiges Element, wichtiger als erklären. Wenn ein Kind so deutlich sagt, daß es nicht mehr leben will, sollten sie ruhig fragen, wie das gemeint sei. Die Vorstellung, die jüngere Kinder vom Tod haben, ist eine andere als die Erwachsener. Oft läßt sich so ein für Eltern "schockierendes" Wort besser einordnen. Sie finden dabei oft auch einen Ansatzpunkt, wie Sie Ihrem Kind helfen können, z. B. erreichbare attraktive Ziele in der nächsten Zeit "sich ein gutes Leben gönnen". Wenn Sie jedoch den Eindruck haben, es handelt sich bei Ihrem Kind - eher bei Jugendlichen - um eine anhaltende tiefe Verzweiflung mit Rückzug aus allen Aktivitäten, dann sollten Sie darüber mit Ihrem Kinderdiabetologen sprechen und den Kontakt zu einem Psychotherapeuten für Kinder und Jugendliche aufnehmen.


Kommentar von Diabetes-Kids:
Das Thema Psychologie alleine ist schon sehr umfangreich und füllt ganze Bibliotheken. Wenn es sich zusätzlich noch um Kinder mit Diabetes handelt wird die Thematik beliebig komplex und ist nicht immer in wenigen Sätzen erklärt. Frau Dr. Karin Lange hat hier wirklich ganze Arbeit geleistet und alle Fragen sehr ausführlich behandelt. Trotzdem kam sie manchmal nicht umhin auf Ihr Buch "Ratgeber für Eltern von Kindern und Jugendlichen mit Diabetes" zu verweisen, welches ihr unter diesem Link online bestellen könnt. Wir haben es übrigens gelesen und es ist wirklich sehr gut!!"

Informationen zum Author:
Frau Dr. Karin Lange ist Diplompsychologin mit Schwerpunkt Kinder- und Jugendpsychologie. Sie hat mehrere Jahre in Frankfurt an der Uni zu diesem Thema geforscht und Studierende unterrichtet.  Danach war Sie einige Jahre am Diabetes Forschungsinstitut in Düsseldorf, hat viele Diabeteschulungen für Kinder, vor allem aber für Erwachsene mit Typ-1-und Typ-2-Diabetes durchgeführt, Patienten psychologisch beraten, Schulungsprogramme entwickelt und evaluiert.
Seit 1990 ist sie an der Medizinischen Hochschule Hannover tätig, unterrichtet dort Medizinstudenten im Fach Psychologie; der Forschungsschwerpunkt ist die Kinderdiabetologie mit Schulungsprogrammen für Kinder, Jugendliche und Eltern. Hier besteht eine enge Zusammenarbeit mit dem Diabeteszentrum für Kinder und Jugendliche am Kinderkrankenhaus auf der Bult Hannover (Leiter PD Dr. Thomas Danne). Dort ist sie an Schulungen beteiligt und betreibt gemeinsame Foschungsprojekte. Im Jahr 2001 ist dazu der "Ratgeber für Eltern von Kindern und Jugendlichen mit Diabetes" herausgekommen, welchen Frau Dr. Lange zusammen mit Herrn Prof. Dr. Hürter verfasst hat. Ein weiterer Schwerpunkt liegt in der psychologischen Fortbildung von Diabetesberaterinnen und Diabetologen.

Expertenrat

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