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Artikel zum Thema Therapieformen

Insulin als Creme, Gel oder Pflaster – wie realistisch ist das?

InsulinalsCremeNeue Forschung macht Hoffnung auf nadelfreie Insulingabe, ist aber noch weit von der Anwendung beim Menschen entfernt.

Worum geht es?

Seit über 100 Jahren müssen Menschen mit Typ-1-Diabetes ihr Insulin spritzen – mit Pen, Pumpe oder Pod. Viele Kinder (und Erwachsene) würden sich wünschen, auf Nadeln zu verzichten.

Genau hier setzt eine neue Studie an, über die u. a. das Deutsche Ärzteblatt berichtet. Ein Forschungsteam aus China hat in der Fachzeitschrift Nature ein spezielles Material vorgestellt, mit dem Insulin über die Haut in den Körper gelangen kann – in Form von Creme, Gel oder Pflaster. Bisher wurde das nur bei Mäusen und Minischweinen getestet, nicht beim Menschen.

Die Grundidee: Ein „Trägerstoff“ schleust Insulin durch die Haut

Normalerweise ist die Haut für große Eiweißmoleküle wie Insulin fast undurchdringlich. Die oberste Hautschicht (Hornschicht) wirkt wie eine sehr dichte Mauer aus Ziegelsteinen (Hautzellen) und Mörtel (Fette). Dadurch bleiben Proteine draußen – was bei Keimen gut, bei Medikamenten aber ein Problem ist.

Die Forschenden haben nun einen besonderen Kunststoff entwickelt, einen sogenannten Polyzwitterion-Polymer, abgekürzt OP. Dieses OP wird mit Insulin „verknüpft“ – man kann sich das grob wie ein Trägermolekül vorstellen, das das Insulin „an die Hand nimmt“ und durch die Haut begleitet.

Das Spannende:

  • Auf der äußeren, eher sauren Hautoberfläche ist OP positiv geladen und sammelt sich dort in den Fettschichten.
  • In den tieferen, neutraleren Hautschichten ändert sich seine Ladung, wird elektrisch neutral und kann sich dann relativ frei zwischen den Zellen bewegen.

So gelangt das OP–Insulin-Paar Schritt für Schritt durch alle Hautschichten in Blut- und Lymphgefäße.

Was wurde in der Studie gezeigt?

Die Ergebnisse stammen ausschließlich aus Tierversuchen:

  • Mäuse mit Typ-1-Diabetes:
    • Sie erhielten OP-gekoppeltes Insulin über die Haut.
    • Der Blutzucker sank relativ schnell in den Normalbereich.
    • Die Wirkung war vergleichbar mit einer Insulinspritze unter die Haut.
  • Diabetische Minischweine (deren Haut unserer sehr ähnlich ist):
    • Auch hier konnte das Insulin über die Haut aufgenommen werden.
    • Der Blutzucker normalisierte sich und blieb über mehrere Stunden stabil.
  • Sicherheit im Tiermodell:
    • In den veröffentlichten Daten wird berichtet, dass die Haut nach wiederholter Anwendung nicht sichtbar geschädigt wurde und keine deutlichen Entzündungszeichen auftraten.

Das ist wissenschaftlich sehr beeindruckend – vor allem, weil man bislang davon ausging, dass große Eiweißmoleküle wie Insulin auf diesem Weg praktisch nicht durch die Haut zu bekommen sind.

Was bedeutet das (noch) nicht für Kinder mit Typ-1-Diabetes?

So aufregend die Schlagzeilen („Insulincreme statt Spritze?“) klingen:
Für den Alltag von Familien mit Typ-1-Diabetes ändert sich im Moment noch nichts.

Wichtige Einschränkungen:

  1. Bisher nur Tierversuche
    • Es gibt noch keine Studien beim Menschen.
    • Wir wissen nicht, ob das System bei Kindern und Erwachsenen mit Diabetes genauso sicher und zuverlässig funktioniert.
  2. Dosis und Alltagstauglichkeit unklar
    • Wie genau dosiert man eine Creme oder ein Pflaster, damit genau die richtige Menge Insulin aufgenommen wird?
    • Was passiert bei Sport, Hitze, unterschiedlicher Hautdicke, Narben, Lotionen usw.?
    • Solche Fragen sind enorm wichtig, damit Unter- oder Überdosierungen vermieden werden.
  3. Langzeit-Sicherheit muss geprüft werden
    • OP ist ein künstlicher Stoff, der über die Haut in den Körper gelangt.
    • Man muss in klinischen Studien sehr gründlich untersuchen, ob es langfristig Nebenwirkungen, Allergien oder andere Probleme gibt.
  4. Zulassung dauert Jahre
    • Selbst wenn erste Studien am Menschen erfolgreich wären, bräuchte es viele weitere Untersuchungen und ein aufwendiges Zulassungsverfahren.
    • Realistisch ist eher ein Zeithorizont von vielen Jahren, nicht von ein, zwei Saisons.

Warum ist die Studie trotzdem wichtig?

Trotz aller Vorsicht ist diese Arbeit ein großer wissenschaftlicher Schritt:

  • Sie zeigt zum ersten Mal überzeugend, dass man ein großes Eiweißmolekül wie Insulin über gesunde Haut in den Körper bringen kann – ohne Nadeln.
  • Das Prinzip könnte langfristig nicht nur für Insulin, sondern auch für andere Medikamente (z. B. Hormone oder bestimmte Eiweißtherapien) interessant sein.
  • Für Kinder mit Typ-1-Diabetes wäre eine zuverlässige, nadelfreie Insulingabe ein enormer Gewinn an Lebensqualität – insbesondere für diejenigen, die große Angst vor Spritzen haben.

Fazit für Familien

  • Nein: Es wird in naher Zukunft keine Insulincreme im Supermarkt oder in der Apotheke geben.
  • Ja: Die Studie zeigt einen neuen, plausiblen Weg, wie Insulin vielleicht eines Tages ohne Nadeln gegeben werden könnte.

Wir bei Diabetes-Kids.de behalten solche Entwicklungen im Blick und berichten, wenn es neue, verlässliche Informationen aus Studien am Menschen gibt. Bis dahin bleiben Pen, Pumpe und CGM/FGM unsere bewährten Werkzeuge – auch wenn die Zukunft vielleicht ein paar spannende Alternativen bereithält.

Quellverweise und mehr Info teils in Englisch:  Ärzteblatt vom 25.11.2ß25, Nature vom 19.11.2025 und News-Medical vom 25.11.2025

Forschung, Insulin

  • Erstellt am .

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