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Diabetes-News ad hoc: Was sind AID-Systeme und wie funktionieren sie?

DiabetesDEDiabetes in all seinen Formen und Typen ist gekennzeichnet durch einen gestörten Glukosestoffwechsel, so dass ohne therapeutische Maßnahmen die Blutzuckerwerte zu hoch sind. Ziel der Therapie ist es, diese Werte in einem Korridor von z.B. 70-180 mg/dl bzw. 3,9-10,0 mmol/l zu halten. Als Therapie wird bei allen Menschen mit Typ-1-Diabetes sowie bei vielen Menschen mit anderen Diabetes-Typen die Injektion von Insulin eingesetzt. Doch was der Körper von stoffwechselgesunden Menschen weitgehend unbemerkt macht, führt bei insulinpflichtigen Menschen mit Diabetes zu einem erheblichen Aufwand, bei dem vielen verschiedene Faktoren einbezogen werden müssen. Wir danken unserem Experten Dr. Jens Kröger für seine fachliche Unterstützung bei der Erstellung des Newsletters.

Daher wünschen sich viele Menschen mit Diabetes mellitus seit langem, dass Geräte selbstständig die Funktionen der Bauchspeicheldrüse übernehmen. Ein solches AID-System (Automatische Insulin-Dosierung, es werden auch andere Begriffe wie Closed Loop oder Künstliche Bauchspeicheldrüse mit ähnlicher Bedeutung gebraucht) besteht aus der Kombination eines rtCGM-Systems mit einer Insulinpumpe. Beide Systeme werden durch einen Algorithmus gesteuert, der auf einem Computer (z.B. einem Smartphone) hinterlegt ist. Dieses geschlossene System führt dem Körper abhängig von der gemessenen Glukose Insulin zu und ahmt dadurch die natürliche Funktion der Bauchspeicheldrüse bei stoffwechselgesunden Menschen nach. Es gibt unterschiedliche Algorithmen mit Stärken und Schwächen. Im Vergleich zu einer Insulintherapie (ICT-Therapie oder alleiniger Insulinpumpentherapie) können die Glukoseschwankungen deutlich reduziert werden, insbesondere kann es zu weniger Hypoglykämien, insbesondere nachts, kommen.
 
AID-Systeme sind schon länger in der Entwicklung, doch erst in den letzten Jahren sind verschiedene Systeme zur Marktreife gekommen. Grundsätzlich kann man vier Entwicklungsstufen unterscheiden:
 

  1. Hybrid-AID-Systeme, die den basalen Insulinbedarf in bestimmten Grenzen automatisch regeln, bei denen die UserInnen aber das Bolusinsulin zu den Mahlzeiten nach wie vor selbst abrufen müssen.
  2. Advanced Hybrid-AID-Systeme, die ebenfalls den basalen Insulinbedarf bedarfsgerecht anpassen. Auch hier müssen die UserInnen den Bolus für die Mahlzeiten individuell abrufen. Hat man diesmal vergessen oder sich im Hinblick auf die Dosis verschätzt, gibt das System einen automatischen Korrekturbolus ab.
  3. Vollständig geschlossene AID-Systeme, die auch den Bedarf an Mahlzeiteninsulin selbsttätig abgeben.
  4. Bihormonelle AID-Systeme, die neben dem Insulin auch dessen Gegenspieler Glucagon abgeben (es wird auch die Option der Infusion eines dritten Pankreas-Hormons, Amylin, diskutiert) und die so die Wirkung des Insulins „bremsen“ können.

 
Während die ersten beiden Optionen bereits zugelassen sind, sind die anderen beiden Systeme noch in der Entwicklung, werden aber voraussichtlich in den nächsten Jahren zugelassen werden.
 
Das Ziel aller AID-Systeme ist, die Menschen mit (Typ-1-)Diabetes bei ihrer Therapie zu entlasten. Doch auch wenn ein AID-System im Einsatz ist, müssen sich die PatientInnen trotzdem in regelmäßigen Abständen um ihr System kümmern, z.B. die Glukosesensoren des CGM-Systems und die Infusionssets der Pumpen wechseln, das Smartphone aufladen und den Alarmen und Hinweisen des Systems nachgehen. Insulin sollte möglichst vor den Mahlzeiten abgegeben werden, um bestmögliche Ergebnisse zu erzielen. Das bedeutet, dass die NutzerInnen verstehen müssen, wie die Systeme funktionieren, um die Hinweise richtig interpretieren zu können. Wenn die NutzerInnen nicht ausreichend im Umgang mit den Systemen geschult sind, können diese die – oftmals sehr hohen – Erwartungen nicht erfüllen, die in sie gesetzt werden.
 
Ein neuer Trend der letzten Jahre sind sogenannte „interoperable Systeme“, bei denen keine feste Kombination aus CGM-System, Pumpe und Algorithmus einer Firma vorliegt, sondern die eine Kopplung von unterschiedlichen Komponenten ermöglichen. Erste Systeme haben bereits eine Zulassung erhalten und werden von einigen PatientInnen bereits genutzt, die sich so ein AID-System nach ihren eigenen Vorstellungen und Wünschen aus einer Art Baukastensystem zusammenstellen können.
 
Der Einsatz von AID-Systemen wird inzwischen nicht nur in wissenschaftlichen Studien evaluiert, sondern auch unter Alltagsbedingungen von Menschen mit Diabetes. Bei praktisch allen Studien führte die Nutzung der AID-Systeme zur einer Reduktion der Schwankungsbreite der Glukosekonzentrationen, was mit einer Verbesserung der Time in Range sowie einer Reduktion der Anzahl von Hypo- und Hyperglykämien einhergeht. Bei den meisten gut geschulten PatientInnen ist auch eine Verbesserung des HBA 1 c zu verzeichnen.
 
Die Nichtverfügbarkeit von kommerziellen vollständig geschlossenen AID-Systemen hat in den letzten Jahren dazu geführt, dass technikaffine Menschen mit Diabetes sich ihre AID-Systeme selbst bauen. Diese sogenannten Looper sind unter dem Hashtag #wearenotwaiting im Internet sehr aktiv und tauschen sich rege über ihre Erfahrungen aus. Es gibt verschiedene Ansätze durch Zusammenbau von verfügbaren CGM-Systemen und Insulinpumpen mit selbstentwickelten Algorithmen, um solche Systeme zu verwirklichen (z.B. OpenAPS, AndroidAPS und Tidepool Loop). Der Vorteil dieser Vorgehensweise für die UserInnen ist, dass die Systeme genau auf deren individuellen Bedürfnisse angepasst werden können. Problematisch ist hingegen die rechtliche Situation, vor allem in Bezug auf Haftungsfragen. Zudem verlangt das Loopen interessierte und informierte PatientInnen, die die Anforderungen an ihr Diabetesmanagement sehr gut durchdrungen haben, zumal bei DIY-Systemen keine Helpline zur Verfügung steht, um auftretende Probleme zu lösen.

Quellverweis: Diabetes-News ad hoc von DiabetesDE vom 6.7.2021
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