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Buchtips

„Leben süß-sauer“ Folge 2 Time to say goodbye

Als neunjähriges Mädchen liebt man Jubiläen jeder Art: ein Jahr beste Freundschaft mit Anna, zwei Monate in Alexander verliebt, drei Tage mit Alexander zusammen. Doch der 15. Mai sollte das einzige Datum werden, das ich in meinem Kalender nicht mit Herzchen oder bunten Blumen verzieren würde: der Tag, an dem ich erfahren habe, dass ich zuckerkrank bin. Zuckerkrank?

Nach dem Termin, bei meinem Arzt Dr. Drömel mir eröffnet hatte, dass ich an einer Krankheit namens „Zucker“ litt, war meine Mutter mit mir ins Kinderkrankenhaus gefahren. Das stimmte mich ein wenig nachdenklich. Entschied das eigene Alter darüber, ob man in eine Klinik für Kinder oder für Erwachsene kam, oder die Krankheit, die man hatte? Denn dann hätte ich mit einer Alte-Leute-Krankheit wie Zucker ja nicht in eine Kinderklinik gedurft.

Genau dort waren wir aber nun, auf Station 8, und hatten noch immer keine Ahnung, was es eigentlich bedeutete, Zucker zu haben. Würde ich die Krankheit ein Leben lang behalten oder ging sie wieder weg? Und wenn sie nicht wieder wegging, musste ich dann anders leben als bisher? Tabletten nehmen? Nur noch Vollkornbrot essen? Und dieses dann gar mit Halbfettmargarine bestreichen? Grausame Horrorszenarien nahmen in meinem Kopf Gestalt an. Das war fünf Minuten bevor ich erfahren sollte, dass die Wirklichkeit noch viel grausamer war …

Schwester Brigitte hatte lange blonde Haare und sah mit ihren geflochtenen Zöpfen aus, wie Heidi aus den Bergen ausgesehen hätte, wenn sie Krankenschwester geworden wäre.

So, wie ein elfjähriges Mädchen jeden Menschen sofort ins Herz geschlossen hätte, der aussah wie Heidi, konnte ich Schwester Brigitte auf Anhieb gut leiden.

Umso enttäuschter war ich, als Schwester Brigitte meiner Mutter und mir erklärte, dass ich

  • mir künftig jeden Tag drei Mal eine Spritze geben müsse,
  • mich ab sofort an einen Diätplan zu halten habe und

  • keinen Zucker mehr essen dürfe.

So etwas hätte Heidi nie gesagt …

Und überhaupt: Spritze? Diätplan? Keinen Zucker? KEINEN ZUCKER!

Vor meinem inneren Auge tat sich eine Landschaft aus Süßigkeiten auf: riesige Tortenberge, auf deren Gipfeln Schnee aus Schokoladenstreuseln lag, ein Meer aus Nuss-Nougat-Streichcreme und viele kleine Marzipanschweinchen, freilaufend auf einer Wiese aus Pistazien-Eis. Alles das sollte ich nie wieder essen dürfen? Warum sperrte man mich nicht gleich bei Wasser und Brot in eine Zelle?

Ein derartiges Verlustgefühl hatte ich bisher erst ein einziges Mal ertragen müssen, als mein Goldhamster sich eines Nachts so schnell in seinem Rad gedreht hatte, dass es für sein kleines Hamsterherz einfach zu viel war. Armer Teddy. Und arme Melissa. Ebenso plötzlich und unerwartet, wie damals Teddy, verschwand nun die Schokolade aus meinem Leben. Tschüss, Schokolade. Es war schön mit Dir.

Hinweis von Diabetes-Kids.de:
Weitere Folgen der Serie „Leben süß-sauer“ werden wir ab sofort in regelmässigen Abständen hier veröffentlichen.
Herzlichen Dank an Frau Guadagno für diese tollen Geschichten.

Nächste Folge

Alle bisherigen Beiträge dieser Serie findet ihr hier

Buchtips, Lesetip

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