"Da habt ihr doch noch Glück!"

Ich hatte das Thema mal mit meiner Tochter, die mit 14 ihren Diabetes bekommen hat.

Die Diskussion konnte aber weder von ihr noch von mir klar geführt werden, denn meine Tochter wurde natürlich mitten aus einer unbeschwerten Jugend gerissen. Aber die Kleinen werden eben aus ihrem unbeschwerten Kleinkind-Dasein gerissen.

Meine Tochter meinte, es ist egal, DM ist immer doof! Aber wir waren uns auch einig, dass man in jedem Alter damit leben lernen MUSS, es nie ein Spaß und nie leicht ist, egal mit welchem Alter man DM bekommt.

Ha! Heute kam es schon wieder! Von einer entfernteren Verwandten...
"Och, bald habt ihr das sooo drin, da müsst ihr gar nicht mehr drüber nachdenken! Gibt doch viiiel Schlimmeres."
gedachte Antwort: "denken muss man leider immer, du siehst ja, wo das Gegenteil hinführt..."
gesagte Antwort: " wird schon werden..."

Ich bin stolz auf mich, ich hab mich beherrscht!

LG, Martina

Das mit dem verschwinden des Diabetes in der Pubertät kommt warscheinlich von der veralteten Bezeichnung "jugendlicher Diabetes" Nicht mehr jugendlich also auch kein Diabetes mehr. :blink:
Ich zieh meinen Mann immer damit auf, dass er sich mochmal richtig jung fühlen wollte als er sich mit 29 nen jugend. Diabetes zugelegt hat .
Diese nervigen Kommentare "aber damit kann man heute doch gut leben" kenne ich auch. Wenn man sich die Therapie vor 30 Jahren abguckt stimmt das wohl auch, aber wir fallen nunmal aus unserem aktuellen normalen Leben und nicht aus vergangenen Zeiten.

Je nach Tagesform nerven mich die Kommentare auch manchmal. Seitdem achte ich aber viel mehr darauf, was ich selbst so wohlgemeint äußere :blush: . Von DM habe ich jetzt leider Ahnung von tausend anderen Krankheiten zum Glück nicht.
Häufig möchte man ja wirklich nur was Tröstliches sagen.
Heute habe ich z.B. mit jemandem gesprochen, der an Depressionen leidet und mir auf die Standardnachfrage berichtete, dass es ihm keineswegs besser geht. Heute war ich gut in Form und habe deshalb alle lieben Äußerungen (das wird schon wieder, Sie müssen nur Geduld haben, es könnte viel schlimmer sein etc) , die mir auf der Zunge lagen, runter geschluckt. Bloß was sagt man dann? "Das ist aber traurig. Wie schrecklich . Das muss ja furchtbar sein."?
Ich habe es dann versucht mit: " Ich weiß nicht, was ich Ihnen sagen soll, werde mir aber mal alle Plattheiten, die mir auf der Zunge liegen, verkneifen". Das war ein voller Erfolg, denn nun brach es aus ihm heraus, wie hier aus uns: "Ja genau, ich kann es nicht mehr hören, das wird schon wieder. Sie müssen positiv denken..."

Am besten fahre ich damit, wenn ich nachsichtig mit mir selbst und anderen bin, und sage mir deshalb immer wieder, dass es nicht böse gemeint ist und ich sicher auch häufig in Fettnäpfchen trete und auf die Nachsicht anderer angewiesen bin. Wenn ich mich davon überzeuge, dass es der andere nicht böse meint, habe ich ja auch keinen Grund sauer und genervt zu sein

Ich musste über deinen Beitrag schmunzeln, da find´ ich mich wieder!
Ich hatte auch nie das riesen Loch oder die Depression ... aber ich erinnere mich noch gut: Als wir aus dem Krankenhaus entlassen wurden sagte ich zu meinem Mann: Der nächste, der mir erzählt, dass man damit super leben kann, der bekommt definitiv eine blutige Nase!
Das durften (und dürfen!) mir höchstens Menschen erzählen, die betroffen sind und wissen, wovon sie reden. Für alle anderen ist es blanke Theorie und theoretisch ist ganz vieles ganz leicht, was zu tun, dann aber ganz schön schwer ist.
Man wird mit der Zeit gelassener. Ich ärgere mich da heute "nur noch" über die Medien; wenn die keine Ahnung haben, dann ist es deren Job, sich vorher schlau zu machen.

Hallo,
ich denke es kommt immer auf den Blickwinkel an. Als ich mit meiner Tochter damals zur Erstmanifestation im Krankenhaus lag, haben wir zweierlei erlebt. Erstens war unser Hausarzt total betroffen. Das hat unsere Tochter doch sehr verunsichert und sie dachte, sie hätte jetzt etwas ganz schlimmes. Im Krankenhaus hat ihr unsere Diabetologin genau das erzählt: Diabetes ist nichts schlimmes und da kann man gut mit leben. Das hat sie dann schon einmal wieder beruhigt. Auf unserer Station lag damals ein Kind im Rollstuhl, welches nur den Kopf bewegen konnte. Und ein Kind das hatte Leukämie. Wir lagen in einem Zimmer mit Sonnenseite und konnten durch eine Terassentür hinausgehen zu einer Bank, auf der wir die Sonne dann auch mal genießen konnten. Zwischendurch durften wir in die Stadt gehen und Eisessen. Und jedes Mal, wenn uns die beiden anderen Kinder begegnet sind haben wir auch nur gedacht, zum Glück ist es nur Diabetes.
Natürlich möchte man das von anderen nicht gerade auf´s Brot geschmiert bekommen.
Die beiden Schülerinnen aus der Klasse meiner Tochter, die vor ihr weggerannt sind, weil sie dachten, dass Diabetes ansteckend sei, haben meiner Tochter aber auch nicht gerade geholfen. Oder ihre Geigenlehrerin, die meinte, dann könne sie nicht mehr Geigenunterricht bei ihr nehmen. Da sind mir Leute, die meiner Tochter erzählen, mit Diabetes könne man gut leben, dann doch wesentlich lieber.
Natürlich gibt es immer auch Zeiten, wo der Diabetes SCH.... ist, die Werte verrückt spielen, oder man einfach genug andere Sorgen und Stress hat oder man bzw, das Kind einfach mal normal sein möchte. ohne den blöden Diabetes.
Aber normal- was heißt das schon und wer ist das schon?
Ich bin nicht dankbar dafür, dass meine Tochter Diabetes bekommen hat, aber ich bin dankbar für jeden Tag, den wir glücklich sind. Und dankbar, dass meine Kinder leben und nichts Schlimmeres haben.
Liebe Grüße Vera

monday schrieb: Ich bin nicht dankbar dafür, dass meine Tochter Diabetes bekommen hat, aber ich bin dankbar für jeden Tag, den wir glücklich sind.

Also das unterschreibe ich mal ganz fett.

Liebe Grüße, Martina

Hallo,
wir haben DM ja erst seit April, aber schon jetzt nervem die Sprüche, ich kann das voll nachvollziehen. Man weiss selbst dass es weitaus schlimmer erkrankte Kinder gibt, aber trotzdem wünscht man sich doch sowas nicht für sein Kind und als Mutter hat man immer Angst und Sorge was noch dadurch auf sie zukommen könnte.
Aber selbst mein EX Mann, also Vater des Kindes, hatte im KH diese Sprüche auf Lager: Hast aj nix, kannst ja alles essen usw.
Doch komisch, seit Entlassung meldet er sich fast gar nicht mehr oder fragt nach Papa WE??? Ist wohl doch so wenig schlimm dass er aber überfordert ist???
Nee, entweder kommten die, ist doch nicht schlimm Sprüche oder das Kind wir mitleidig angesehen. Mein Sohn hat im freundeskreis auch das Gefühl als hätte sie Angst er hätte sonstwas, er fühlt sich seitdem total abgelehnt.

Aber wehe wenn die alle betroffen wären, danan haben sie das nie gesagt.

Das hast Du (mal wieder) sooo wunderbar formuliert! Herrlich zu lesen und natürlich treffend. Mein Highlight mit klassischem Typ 2 war, dass der ältere Herr sich wunderte, dass die Abendwerte immer so schwanken und sich fragte, welche Informationen sie eigentlich bringen. Auf Nachfrage kam dann heraus, dass er immer so gegen 9 Uhr messen soll. Dass unterschiedliche Mahlzeiten (mal 'ne halbe Stunde danach gemessen, mal anderthalb), der Alkoholkonsum oder die Bewegung einen Einfluss auf den BZ haben könnten, wollte er uns nicht wirklich abnehmen. Das wäre ja eine ganz neue Theorie, noch nie davon gehört...

Das Schlimmste, was ich gesagt bekam (von einer Akademikerin, Psychologin, Professorin)!!
"Komisch, Ihr seht gar nicht so aus - ihr esst und lebt doch auch gesund...
Und jetzt Diabetes?"
Ich habe ihr per whatsapp eine gesalzene Antwort geschickt.
Ihre Antwort: "Komm mir jetzt bloß nicht mit Autoimmungeschichten, das ist Lebensstil..."

Ich empfehle Fortbildung für Psychologen und überhaupt flächendeckend.
Herr, schmeiß Hirn vom Himmel!