Hallo Ela,
herzlich willkommen
Deine Tochter ist 8 Jahre alt und realisiert sicherlich, was sie von stoffwechselgesunden Kindern unterscheidet, worauf sie bzw. ihr achten müsst, was wichtig ist, was sich bei ihr/euch durch den Diabetes verändert hat.
Sie ist aber auch alt genug, um zu verstehen, was der Diabetes mit ihr machen kann, was passieren kann, wenn sie beispielsweise unterzuckert. Und das macht Angst oder zumindest Unbehagen, erst recht in Situationen, in denen sie alleine ist.
Hat sie bereits eine oder mehrere Unterzuckerungen (Hypoglykämien) erlebt? Wenn ja, ist dabei jemand nervös geworden und hat ihr so gezeigt, dass sowas eventuell bedrohlich ist? Waren sie für sie selbst sehr unangenehm, so dass sie gar nicht wusste, warum sich ihr Körper plötzlich so komisch anfühlt? Ich meine, sie hatte laut Profil einen HbA1c von 10, das ist ein Mittelwert von 250 mg/dl so grob, über einen längeren Zeitraum. Nun liegt sie vermutlich weit darunter, alleine das macht schon ein anderes Körpergefühl. Sagt meine Tochter, ich kann das ja nicht beurteilen. Ich kann mir schon vorstellen, dass sich das ganz anders anfühlt, komisch ist und sie daher erstmal möglichst wenig alleine bleiben möchte.
Kann sie vielleicht benennen, wovor sie Angst hat, warum sie nicht alleine sein möchte oder warum sie vermeidet, alleine nach oben zu gehen?
War sie seit der Manifestation schonmal irgendwo ohne euch? Vermutlich nicht, ist ja erst zwei Wochen her ...
Welche Gespräche von euch Großen hat sie mitbekommen? Habt ihr Angst, fühlt ihr euch überfordert?
Welche Gespräche hat sie im Krankenhaus mitbekommen?
Worauf ich hinaus will ist: Hat sie einen Grund, Angst zu haben?
Wenn man mich fragt: Ja, hat sie. Nämlich eine "neue" Krankheit, die noch so unbekannt bei euch ist, dass sie noch nicht Alltag ist, dass sie erstmal bedrohlich wirkt.
Wer kann ihr helfen? Ihr. Und euer Diabetesteam.
Wie könnt ihr euch helfen? Indem ihr euch aufklären lasst über Unterzuckerungen und über die Gegenmaßnahmen.
Fragt sie, wie sie ihren Körper empfindet, wenn der Blutzucker z.B. auf unter 70 rauscht. So kann sie nach und nach erlernen, wie es sich anfühlt, wenn der Blutzucker entweder ganz hoch oder ganz niedrig oder im Zielbereich ist. Wenn sie das mal gelernt hat, das wird ein wenig Zeit und viel "Übung" in Anspruch nehmen, wird sie auf sich und ihren Körper hören, ihn deuten, verstehen und reagieren können.
Erwarte nicht zuviel von ihr, denkt immer daran: Sie ist erst 8 - und hat eine Krankheit, die ihr vermutlich Angst macht, weil sie sie nicht kennt, weil sie ganz neu ist und (noch) sehr bedrohlich wirkt.
Ergänzend zu Egons Beitrag: Wie sahen eure Schulungen in der Klinik aus? Wie viel wisst ihr über den Diabetes, über Unterzuckerungen, über Gegenmaßnahmen, über die Vorgänge im Körper generell? Wie viel weiß dein Kind?
Besprecht eure Beobachtungen mit eurem Diabetesteam - und versucht, euer Kind möglichst kindgerecht aufklären (zu lassen), wie hoch/niedrig die Zahl auf dem Display sein darf, was sie niedriger macht, was sie höher macht, was hilft, wenn sie zu niedrig ist, wie lange es dauert, bis ein/zwei Plättchen Traubenzucker wirken - und ganz wichtig: Dass sie immer sagt, wenn es ihr nicht gut geht, wenn sie unsicher ist (was sie jetzt eh noch ist), wenn sie Hilfe braucht, euch, Lehrern, ihren Freunden, die dann Hilfe (und Beruhigung) holen können.
Nehmt sie ernst, nehmt ihre Ängste ernst und seid für sie da: Sie ist "normal", nur anders normal, aber diese andere Normalität wird sich erst nach und nach bei euch einstellen. Bis dahin: Viel Geduld, viele gute Informationen, viel fragen, viel reden, viel verstehen, viel Angst verlieren können.
Liebe Grüße,
Tanja