Bin ich auch eine Nervensäge? - Ein Blogbeitrag im Zuckermutterblog
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Vor einigen Tagen las ich im Diabetes Journal einen Artikel von dem von mir sehr geschätzten RA Oliver Ebert. Es ging um ein Kind, das wegen seiner Diabetes-Erkrankung nicht zur Schule gehen durfte. Ein schockierender Vorfall sollte er sich wie geschildert, zugetragen haben. Herr Ebert äußerste sich in dem Artikel auch darüber, dass es Eltern gibt, die mit einer übersteigerten Anspruchshaltung und unangemessenen Forderungen Ursache eines solchen Konfliktes sein können.
Mehr Infos und Quellverweis: zuckermutterblog.wordpress.com vom 15.2.2017
Michael Bertsch
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Heute, mit dem nötigen Hintergrundwissen (das uns damals erst nach mehrmaliger Nachfrage nahegebracht wurde) und der persönlichen Erfahrung, sehe ich die Problematik aus Sicht des Lehrers natürlich viel entspannter. Doch damals war die Angst vor der Unterzuckerung des Kindes ständiger Begleiter von uns Lehrkräften. Wir wurden tatsächlich auch aufgefordert, in einem solchen Fall die Notfallspritze, die im Teeküchenkühlschrank bereit lag, ohne genauere Einweisung zu benutzen.
Ich kann somit die Ängste der Lehrkräfte verstehen. Eine genaue Fortbildung durch Fachpersonal und vor allem emotionslos sachlich ist aus meiner Sicht die einzige Möglichkeit, Lehrerkollegien bereit zu machen, ein Kind mit Diabetes aufzunehmen und zu betreuen.
Auch sollte von solchen Sätzen wie "ein oder zwei Blicke auf das Kind zusätzlich zu werfen, sollte doch kein Problem sein" Abstand genommen werden, denn es zeigt die geringe Kenntnis vom Schulalltag einer Lehrkraft. Ich unterrichte 27 Kinder in einer Klasse, soll neben der Stoff- und Methodenvermittlung, die eine ununterbrochene Aufmerksamkeit erfordert, gleichzeitig einerseits verhaltensauffällige Kinder und andererseits lernschwache Kinder zum Lernerfolg führen. Die hochbegabten Kinder und die, deren Eltern es von ihnen meinen, sollen auch nach ihrem Leistungsstand und der Motivation gefördert und gefordert werden. Das alles nimmt 100% der Aufmerksamkeit in Anspruch mit dem Wissen, dass dies trotzdem nicht ausreicht. Auch im Schulalltag entgeht uns eine Menge, passieren hinter unserem Rücken oder auch direkt vor uns, aber werden von uns nicht wahrgenommen, denn wir "laufen schon unter Volauslastung". Da sind ein oder zwei Blicke eine ganze Menge, die von den LehrerkollegInnen gefordert werden. Denn diese Blicke sollen nicht oberflächlich sein, sondern innehaltend und genau, so dass die Bedürfnisse des Kindes wahrgenommen werden sollen. Hier handelt es sich, wie bei jedem Kind, um schützenswerte kleine Wesen, nicht um Zimmerpflnazen, die zur Not auch morgen gegossen werden können.
Und trotzdem darf es nicht sein, dass von Diabetes betroffene Kinder ausgeschlossen werden dürfen, weder aus Schwimmvereinen, noch aus Schulen oder von Schulausflügen. Doch das ist noch ein langer Weg der Aufklärung.
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Doch, durch den Kontakt mit Lehrern in meinem Freundeskreis bin ich schon mit der Situation in Schulen vertraut. Deswegen habe ich die besondere Situation des Kindes klar und deutich bei der Einschulung dargelegt.
Erstmal ist es meine Erfahrung, dass die Unterstützung von "anderen" Kindern leider sehr nach persönlichen Gewichtungen der Lehrer/Schulleitung geht. Dies ist ja nur möglich, weil es keine verbindliche Regelung gibt, die Kinder und Lehrer unerstützt, mit dieser Aufgabe (und auch anderen "inklusiven" Aufgaben) fertig zu werden. Und da erwarte ich als Mutter auch das Engagement der Schulleitungen, die sich an ihren Dienstherren wenden könnten mit der Forderung nach machbaren Lösungen.
Aber vielen Dank für deine vielen Einblicke in den Arbeitsbereich Schule.
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Reiter schrieb: Eine genaue Fortbildung durch Fachpersonal und vor allem emotionslos sachlich ist aus meiner Sicht die einzige Möglichkeit, Lehrerkollegien bereit zu machen, ein Kind mit Diabetes aufzunehmen und zu betreuen.
Hallo,
das ist auch meine Meinung. Angst und Panik der Eltern erzeugt wiederum Gegenangst und Ablehnung bei dem Betreuungspersonal. Ich halte es so: So wenig Informationen wie möglich, so viel wie nötig. Alles andere erzeugt nur Ängste, Überforderung und Ablehnung.
Ich denke, je gelassener die Eltern sind, desto gelassener auch das Betreuungspersonal. Das überträgt sich. Und manchmal ist das Betreuungspersonal dann doch bereit mal einen Blick extra drauf zu werfen, wenn man es eben nicht verlangt, sondern einfach freundlich - ohne jegliche Forderung - bittet. Sich festnageln zu lassen, mag keiner und würde ich selbst auch nicht machen, aber dann doch unterstützen, je nach Möglichkeit geht dann doch öfter als gedacht.
Wenn das Kind ständig unterzuckert und Fremdhilfe benötigt, ist das natürlich schwierig. Ich bin sehr froh, dass mein Kind Unterzuckerungen tagsüber zuverlässig merkt und noch keine Fremdhilfe benötigt hat. Vielleicht würde ich anders sprechen, wenn ich es auch anders erlebt hätte.
Die Notfallspritze war bei uns nie Thema, weder im Kindergarten noch in der Schule, ich habe es nie angesprochen und verlangt, obwohl er die ständig in seiner Blutzuckertasche dabei hat, würde die wohl kein Fremder einfach so "bedienen".
Wenn es tatsächlich zu einem Notfall kommt, muss der Notarzt gerufen werden!
Auch aus Sicht des Kindes ist es sinnvoll, gelassen mit dem Diabetes umzugehen, denn auch das überträgt sich auf das Kind und schränkt es womöglich - wie auch immer - ein.
Liebe Grüße
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Manche Eltern haben Glück und haben nie ein Notfall erlebt, andere haben ihr Kind schon mehrfach im UZ krampfen siehen. Das prägt.
Sachliche Schulungen der Lehrer sind genauso wichtig wie die personelle Unterstützung der Schulen durch Zusatzpersonal, wenn viele kranke Kindern an einer Grundschule sind.
Ab Klasse 5 organisieren sich die meisten Kinder ja selbst. Da braucht es nur Toleranz. Aber vielen Dank für deinen Kommentar. Die Frage wie man mit der Schule umgeht bewegt ja sehr viele Eltern. LG Silke
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ich habe mir mal die offiziellen Informationen zum Thema Diabetes in der Schule "meines" Bildungsministeriums angesehen. (siehe Anhang)
Es startet mit einer allgemeinen Einführung, zeigt recht einfach den Schulalltag eines Kindes mit Diabetes, erläutert den Umgang mit der Krankheit bei Schulausflügen, Klassenfahrten usw. und endet mit dem Bereich "Rechtliches", wo aber leider lediglich darauf hingewiesen wird, dass wir Lehrer nicht verpflichtet sind, bei der medizinischen Betreuung zu helfen.
Was leider fehlt ist das Recht der Kinder auf ein möglich normales Schulleben. Im Schulgesetz Schleswig-Holsteins steht: „Zur Erreichung der Bildungs- und Erziehungsziele sind Schülerinnen und Schüler mit Behinderungen besonders zu unterstützen. Das Ziel einer inklusiven Beschulung steht dabei im Vordergrund.“ (SchulG S-H §4,11. GVOBl. Schl.-H. S.23ff).
Aber das steht bei vielen leider noch im Hintergrund. Selbst meine immer offene und eigentlich zu allen Hilfestellungen bereiten Schulleitung, die Diabetes-Erkrankunhg war damals kein Problem, verwehrte einem Kind mit Zöliakie die Teilnahme an einer Koch-AG. Da muss das Bewusstsein noch wachsen. Leider haben sich die Eltern nicht gewehrt.
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Mein Kind hat inzwischen die Grundschulzeit hinter sich. Rückblickend hätte ich einige Dinge anders gemacht. Doch wenn man so mitten drin steckt, ist es schwer den Überblick zu behalten. Außerdem finde ich, dass es für Eltern nur schwer einzusehen ist, was sie für Rechte und Pflichten haben. Und ob die Pflichten, die ihnen auferlegt werden, wirklich rechtens sind.
Oft steckt der Teufel im Detail. Macht sich an den kleinen Begebenheiten bemerkbar. Ein ganz typisches Beispiel ist der Geburtstag eines Mitschülers in der Grundschule. Was hat das bei uns schon für Tränen gegeben, weil er seinen Muffin nicht gleich essen durfte, sondern erst daheim. Für ihn war das ein Weltuntergang. Doch soll ich deswegen einen Aufstand beim Lehrer proben? Andersherum hat mein Kind Sonderrechte, die hatten seine Mitschüler nicht. Essen und trinken oder zur Toilette während des Unterrichts, waren für meinen Sohn möglich, während seine Klassenkammerraten Strafarbeiten schreiben mussten.
Bestimmt wurde auch ich als Nervensäge eingestuft. Immerhin hatte ich erfolgreich den Versuch abgewehrt mein Kind in eine Behindertenschule schicken zu wollen. Das hat mir keine Pluspunkte beschert. Die Grundschule hat sich gewehrt und unterschwellig gedroht, doch ich hatte es durchgezogen und durchgeboxt, dass mein Kind an der Grundschule teilhaben durfte. Auch der Ausschluss vom Sportunterricht für fast drei Monate war ein Schlag in die Magengrube. Nachdem ich eine neue I-Kraft bekam, die die restlichen 30 Minuten abdecken konnte, war das Problem zwar beseitige, doch hat meine Einstellung zur Schule stark beeinträchtigt. Am Ende der Grundschulzeit kam noch ein letzter Versuch den Mehraufwand zu beseitigen, doch wir hatten dem ein Ende gesetzt und unser Kind an einer anderen Schule in einer anderen Stadt angemeldet. Das hat mir auch keine Pluspunkte beschert. Oh nein! Die Klassenlehrerin hatte meinen Sohn noch zur Seite genommen und ihn hinsichtlich dessen bearbeitet. Als mein Sohn mir das erzählte war ich wütend, das gebe ich zu. Für mich war das Thema damit abgeschlossen.
Im Nachhinein bereue ich, dass ich nicht schon in der Grundschule den Weg gegangen bin und mir einen Schulwechsel in eine andere Stadt erkämpft hatte. Aus heutiger Sicht weiß ich, dass dies der bessere Weg gewesen wäre. Doch wenn man so mitten drin steckt, sieht man oft den Wald vor lauter Bäumen nicht. Immer wieder dachte ich: "Ist ja nicht so schlimm", "Reg dich nicht auf." , "Das ist die Sache nicht wert.", "Schlaf noch ein paar Nächte drüber, bevor du das Thema ansprichst."
Inzwischen gehöre ich zu den Eltern der "Großen". Inzwischen geht es bei uns nur noch um Schule. Diabetes im Schulalltag hat kaum eine Gewichtung. Natürlich hat er noch immer einen Sonderstatus. Darf essen, trinken und messen während des Unterrichts. Doch er muss vorher fragen und das finde ich auch gut so. Das Einzige, was seither noch nicht vorkam, ist die Reglung, dass er Klassenarbeiten ab einen bestimmten Wert nicht mitschreiben muss. Seine Noten und das hervorragendes Halbjahrszeugnis geben meiner Intuition recht.
Auch wie gut er seinen Diabetes in der Klassengemeinschaft meistert, ist für mich ein Zeichen, dass alles gut läuft.
Rückblickend kann ich sagen, es steht und fällt alles mit dem Lehrer und der kann nur so gut sein, wie das Motto der Schule, die hinter ihm steht. Die Bereitschaft zur Kommunikation. Gegenseitige Wertschätzung.
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