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Transition bei Diabetes Typ 1 durch mehr digitale Kompetenz und Behandlungsteams aus Pädiatern und Internisten verbessern

Gießen – Ein Typ-1-Diabetes macht sich in den meisten Fällen bereits im Kindesalter bemerkbar; in jedem Fall aber begleitet die Diagnose die Betroffenen ihr Leben lang und macht eine kontinuierliche spezialmedizinische Betreuung notwendig. Doch ungefähr mit Erreichen der Volljährigkeit, wenn die jungen Patienten von der pädiatrischen Betreuung in die Erwachsenenmedizin wechseln, passiert es leicht, dass der Kontakt zum spezialisierten Diabetologen vorübergehend abbricht. Wie der auch als Transition bezeichnete Übergang besser gestaltet werden kann und welche Rolle technologische Entwicklungen dabei spielen, diskutieren Experten am 4. März 2020 auf der Pressekonferenz anlässlich des 63. Kongresses für Endokrinologie der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) in Gießen. 

In der Bundesrepublik leben rund 32 000 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren mit einem Typ-1-Diabetes. Jedes Jahr wechseln ungefähr 2 000 dieser jungen Patienten von der pädiatrischen Diabetologie in die Erwachsenenmedizin – ein Übergang, der nicht immer reibungslos verläuft. „Bei rund 40 Prozent der jungen Patienten wird die diabetologische Betreuung in dieser Zeit lückenhaft“, sagt Professor Dr. med. Thomas Danne, Chefarzt am Kinder- und Jugendkrankenhaus Auf der Bult in Hannover. Dadurch steigt das Risiko für eine schlechtere Blutzuckereinstellung deutlich an: Nach dem Transfer in die Erwachsenenmedizin zeigen Jugendliche im Vergleich zu Altersgenossen, die noch pädiatrisch betreut wurden, ein 2,5-fach erhöhtes Risiko für eine mangelhafte Blutzuckerkontrolle.

Die Transition findet in der Regel zwischen dem 16. und 21. Lebensjahr statt – ein Alter, das ohnehin durch Umbrüche gekennzeichnet ist. Während die hormonellen Schwankungen der Pubertät sich direkt auf den Zuckerhaushalt auswirken und eine sorgfältigere Insulinkontrolle notwendig machen, rückt die Gesundheitsvorsorge gerade in dieser Phase oft aus dem Fokus. Der Einfluss der Eltern, die im Kindesalter noch die Arzttermine organisierten, schwindet, und womöglich steht durch den Beginn von Studium oder Ausbildung auch noch ein Wohnortwechsel an. „All diese Faktoren können dazu beitragen, dass der Kontakt zum Erwachsenendiabetologen nur verzögert aufgebaut wird“, sagt Danne.

Verschärfend kommt hinzu, dass die Diabetesbehandlung sich in den letzten Jahren deutlich verändert hat: Je jünger die Patienten sind, desto höher ist der Anteil an Insulinpumpenträgern. Auch die Zahl der sensorgestützten Pumpen, die kontinuierlich die Gewebeglukose messen, schnellt in die Höhe und hat sich bei jungen Patienten binnen weniger Jahre verzehnfacht. „Dass die jungen Leute heute auch bei der Diabetestherapie quasi als Digital Natives aufwachsen ist einerseits ein großer Erfolg“, sagt Danne. „Auf der anderen Seite vergrößert die neue Technologie die Kluft zur Erwachsenendiabetologie und erschwert die Transition zusätzlich. 

Zwar gibt es Modelle, die den Übergang erleichtern sollen, indem sie, wie etwa das Berliner Transitionsprogramm, die Jugendlichen bei der Transition begleiten. Sie finden bislang jedoch nicht flächendeckend Anwendung. Außerdem ist die Kostenübernahme durch die Krankenkassen nicht einheitlich geregelt. „Hier ist dringend ein Umdenken im Gesundheitswesen notwendig“, sagt Professor Dr. med. Stefan A. Wudy, Leiter der Endokrinologie und Diabetologie am Zentrum für Kinderheilkunde und Jugendmedizin der Justus-Liebig-Universität Gießen und DGE-Kongresspräsident. Denn die Folgen der Betreuungslücken können dramatisch sein: Bei mangelnder Blutzuckerkontrolle steigt das Risiko für Diabetes-Folgeerkrankungen wie Sehschäden bis hin zur Erblindung, Nierenschäden, den diabetischen Fuß sowie für Herzinfarkt und Schlaganfall deutlich an.

Eine Lösung könnte darin liegen, regionale Behandlungszentren zu etablieren, in denen sowohl pädiatrische als auch internistische Diabetesteams arbeiten. „In solchen Zentren verläuft die Transition erfahrungsgemäß wesentlich unkomplizierter“, sagt Wudy. Und von der gebündelten Expertise im Bereich neuer Diabetestechnologien könnten letztlich auch die älteren Menschen mit Diabetes profitieren, die diese bislang kaum nutzen.

Literatur:

Quelle: Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) vom 27.2.2020

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