Veröffentlicht in Diabetes-Kids Elternblog.

Blogbeitrag von Anna (17J): Der Diabetes soll nicht dich beherrschen-sondern du ihn

Ich – mit meinem Diabetes Typ 1:

Ich lebe mit meinem Diabetes seit 6 Jahren. Ich kann mich heute noch genau daran erinnern, wie es mir mein Hausarzt diagnostiziert hat. Zwei Jahre lief alles gut mit meiner Krankheit. Ich war in der Zeit einmal im Krankenhaus zu Einstellung, obwohl die Ersteinstellung ambulant gelaufen ist.

Damals habe ich eine Insulinpumpe getragen. Habe alles gut hin bekommen, bis ich in die Pubertät gekommen bin. Meine Blutzuckerwerte schwankten hoch, runter und wieder hoch und runter.

 

Dann kam die Phase wo mir alles egal war. Ich spritze nur noch ungefähr, vor dem Essen habe ich nur noch ab und zu mal meinen Blutzucker gemessen, mir war einfach alles egal. Ins Tagebuch habe ich dann auch nichts mehr eingetragen. Dann war es so weit und ungefähr ein halbes Jahr später wurde mir die Insulinpumpe wieder abgenommen. Der Arzt fand dies damals für richtig, eine Pumpe sei zu der Zeit einfach zu gefährlich für mich gewesen. Zwei Jahre lang darauf, spritze ich nur noch, wenn es mir wirklich richtig schlecht ging , dass ich nur noch einmal pro Woche meinen Blutzucker gemessen habe. Jeder sagte mir wie gefährlich dies sei, ich wollte einfach nichts von meinem Diabetes mehr hören - ich tat so als hätte ich diese Krankheit einfach nicht mehr. Sobald irgendjemand angefangen hat davon zu reden, habe ich entweder aggressiv darauf reagiert oder irgendwann einfach gar nicht mehr. Für mich war das alles einfach unfair, jeder in meinem Umkreis konnte so essen und trinken wie sie wollten, keiner musste vorher messen und / spritzen.

Bis ich gewisse Stellen an meinen Füßen auftraten, Wunden, die nicht mehr richtig verheilten, die weh taten, beim Laufen -einfach überall. Jeder sagte dies käme vom Diabetes, nur ich wollte einfach davon nichts hören. Warum auch ? Ich für mich, hatte diese Krankheit einfach nicht.

Fast sechs Jahre später nach meiner Diagnose,( nach unzähligen Krankenhausaufenthalten, wozu ich sagen muss ich bin noch nie umgekippt, ) und vier Jahre nachdem ich so getan habe, als hätte ich den Diabetes einfach nicht, wusste ich es war Zeit um auf zu wachen, bevor es irgendwann zu spät ist.

Und wie ich diese Krankheit gehasst habe. Aber ich ging trotzdem zum Arzt und überwund meinen inneren Schweinehund. Die Ärzte waren entsetzt und machten mir einen Termin für das Krankenhaus, in welchem ich früher auch Aufenthalte hatte. Sie diagnostizierten mir mitunter eine Akzeptanzstörung und ich wusste, dass sie recht hatten. Was ich dazu noch sagen muss, ganz am Anfang betrug mein HbA1c 14,9 – mein bester HbA1c war 6,3. Mittlerweile ist es wieder auf 9,2.

Aber er hatte sich schon etwas gebessert, denn nach 6,3 war er zwischendurch auch schon mal wieder auf 11 gestiegen.

Mein Krankenhausaufenthalt betrug zwei Wochen, in der Zeit lernte ich andere Diabetiker kennen, zwei Mädchen, zwei Jungen und eine Dame. Ich ging zu Therapiestunden, um den Diabetes zu aktzeptieren. Ich muss sagen, die anderen Diabetiker, halfen mir mehr diese Krankheit zu aktzeptieren, als der Therapeut. Ich meine klar hat er diesen Beruf studiert, aber wenn man auf sozusagen seinesgleichen trifft, versteht man die anderen viel besser. Aber auch selbst im Krankenhaus schwankten meine Blutzuckerwerte ständig, nach wie gesagt zwei Wochen wurde ich entlassen, mit einer einigermaßen guten Einstellung. Die Ärzten sagten mir, dass ich so gut wie kein Insulin selbst mehr produziere und ich von Natur aus wohl einen schlecht einstellbaren Stoffwechsel habe.

Zuhause angekommen, fiel ich ständig in Unterzuckerungen , ohne jedoch etwas zu merken.

Ich muss wohl einfach Glück gehabt haben, ich kümmerte mich auch richtig gut um den Diabetes , seit ich zu Hause war. Dann ging ich noch ein paar mal zu meinem Diabetologen. Er änderte ein paar Faktoren und die Basalrate. Es klappte auch etwas besser, perfekt bekommt man das sowieso nicht hin. Man kann halt alles geben, nur dabei sollte man auch beachten, dass du den Diabetes beherrschen solltest und der Diabetes nicht dein Leben.

Ein paar Wochen später, bekam ich auf Anfrage einen Sensor, der vieles vereinfacht, Leider muss man dies selbst bezahlen, dass heißt es wird noch ein großer Kampf mit der Krankenkasse.

Ich kann jedem diesen Sensor empfehlen. Doch der Arzt stellte schon wieder etwas an meinem Insulin um, seitdem ca. 3 Wochen läuft wieder alles drunter und drüber.

Ich habe aber diesen Donnerstag wieder einen Termin, was mir auch gerade nochmals sehr wichtig ist, weil ich darauf die Woche ins Ausland fahre. Das ist meist auch immer mit einer gewissen Angst verbunden. Ich meine ich war schon öfters mit dem Zucker im Ausland, ist noch nie was passiert - deshalb sollte man die Angst auch ablegen. Aber natürlich macht man sich die Gedanken, anderer Rhythmus, anderes Essen und anderes Klima. Gibt halt viele Sachen, aber wenn man alles dabei hat, sollte nichts passieren.

In letzter Zeit, muss ich selbst zugeben, habe ich mich natürlich weiter um den Zucker gekümmert, nur die Werte sind z.B. bei mir auch immer mit einem gewissen Perfektionismus verbunden, schon wieder echt keine Lust mehr. Gerade am Morgen steigt mein Blutzucker und wenn ich dann müde in der Schule sitze, ist das nicht gerade vorteilhaft für meine Leistungen.

Meine Lehrer wissen natürlich, dass ich Diabetes habe, aber bei der Bewertung, z.B. für das mündliche können sie auch keine Gedanken lesen und dann sagen, die hat sich heute nicht soviel gemeldet, weil ihr Blutzucker schlecht war.

Aber ich was ich trotzdem gut finde, durch den Diabetes, habe ich schon so viele nette Menschen kennen gelernt. Auch wenn diese Krankheit echt doof ist, man kann damit Leben. Und ich finde, dass so toll. Selbst Monate später nach diesem Krankenhausaufenthalt habe ich noch Kontakt zu ihnen.

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Diskutiert diesen Artikel im Forum (2 Antworten).
marielaurin antwortete auf das Thema:
22 Nov. 2016 08:35
Hallo Anna,
habe deinen Eintrag erst gerade gesehen und gedacht, der könnte bis auf einige Kleinigkeiten exakt so von meiner Tochter stammen, die nächste Woche 17 wird.

HbA1c von 15,8, dann der beste 6,3, dann jahrelang um 8,5, jetzt aktuell 9,9. Empfehlung ist stationäre Aufnahme. Aber weißt du, was sie da machen ist drei Mal am Tag eine Essensportion für eine 3jährige und die totale Kontrolle. Das ist so realitätsfremd, da kann mir keiner sagen, dass das irgendwas bringt außer Ferien opfern oder Schule verpassen. Wir haben uns dagegen entschieden.

Ihr habt so vielen um die Ohren, wenn ich sehe, was mein Kind für einen Stundenplan hat plus Fahrtzeit, dann hat sie locker eine 60-Stunden-Woche, da ist Vorbereiten oder Hausaufgaben, Facharbeiten, eventuelles Üben für Klausuren und aktuell Fahrschule für zwei Führerscheine noch nicht drin. Und dann kommt noch der Diabetes obendrauf, um den ihr euch auch noch perfekt kümmern sollt. Wer kann sowas leisten?

Ich habe größten Respekt vor euch, ihr seid schon voll selbst verantwortlich für euren Körper, das sind alles Sachen um die wir uns früher in unserer Jugend keine Gedanken machen mussten. Mit viel Pech kommt noch G8 obendrauf, das ist dann eine Kombination, bei der irgendwas zum Scheitern verurteilt ist. Bei meiner Tochter scheitert der Diabetes - noch. Sie kümmert sich, aber nicht genug für die Ärzte, sie hat den Libre, der ihr eigentlich sehr hilft, aber trotzdem ist sie so mit Schule, Fahrschule und sich selbst beschäftigt, dass sie ihren Diabetes immer wieder einfach vergisst - oder stundenweise verdrängt.

Tja, was ist nun besser? Den Diabetes vergessen und nicht so verbissen auf perfekte Werte aus sein und einfach ganz normal sein wie man ist wenn man 17 ist oder perfekte Werte anstreben, glückliche Ärzte sehen, aber selbst auf der Strecke bleiben? Wenn man das alles vereinbaren könnte, käme mir das komisch vor :laugh: , wäre aber vermutlich total toll.

Ich glaube, dass ihr alle euren Weg gehen werdet, ihr werdet euch alle mit eurem Diabetes zurechtfinden, die einen schneller und einfacher, die anderen länger und komplizierter mit allen Höhen und Tiefen und in ein paar Jahren werden wir zurückschauen und uns fragen, warum wir uns so viele Sorgen gemacht haben, weil dann alles in Ordnung ist. Ich hoffe sehr, dass das bei uns allen so wird. Und dann werde ich mich vermutlich ärgern, dass mir dieser Diabetes so viele schlaflose Nächte, so viele Diskussionen mit meinem Kind, so viele Tränen, so viele Beschützinstinktmomente und die dazugehörigen Diskussionen bei den Ärzten, so viele Sorgen bereitet hat. Aber ich werde mich freuen, dass so glaube ich, der Diabetes auch dazu geführt hat, dass meine Tochter und ich so ein tolles Verhältnis haben, das ist nämlich bei anderen in ihrem Alter nicht so. Und das ist mir gerade viel viel wichtiger als ein toller HbA1c!

Alles Liebe!
DiabeTigger2008 antwortete auf das Thema:
21 Nov. 2016 17:47
Liebe Anna,
noch keine Antwort? Komisch...
Ich habe noch nicht so viel Erfahrung mit dem Diabetes, mein Kind hat erst seit gut 7 Monaten (kurz nach seinem 8.Geburtstag diagnostiziert, sehr dramatisch, mit Rettungswagen und 3 Nächte Intensivstation) sozusagen offiziell Diabetes und ist noch voll in Remission.
Aber ich finde diesen Beitrag hier sehr bewegend. Oder wie kann man das besser ausdrücken? Ich meine, wie lebendig, offen und ehrlich und so authentisch sich das liest. Für wirkt es so als würdest du langsam aus der Pubertät auftauchen, leider (noch?) mit unerklärlichen Zuckerschwankungen, ABER mit einer neu gewonnenen Verantwortung für deinen Körper. Ich kann deinen Frust über diese Krankheit gut verstehen, das ist wirklich ÄTZEND. :angry: Ich habe auch keinerlei Lust auf diese Krankheit (auch wenn sie nicht "mir", sondern meinem Sohn "gehört"). Andererseits hast du nur diesen einen Körper, wenn du weiter leben willst, am besten auch noch mit guter Qualität, musst du diese Verantwortung übernehmen, und es klingt sehr danach, dass du das jetzt tust. Herzlichen Glückwunsch, ich finde das eine super Entscheidung! Und toll, dass du da so wohl tuende Kontakte bekommen hast! Ich hoffe, dass dein Auslandsaufenthalt gut geklappt hat (du hast nicht geschrieben, welche Art von "Ausland").
Ich wünsche dir alles Gute und würde mich sehr freuen, von dir zu hören (lesen).
In diesem Forum sind auch etliche Eltern unterwegs, die ebenfalls mit den besonderen Tücken von DM1+Pubertät kämpfen. (Bei mir ist das noch ein Bisschen fern, aber es beschäftigt mich schon). Vielleicht kannst du, wenn du noch etwas mehr Abstand von diesen turbulenten Zeiten gewonnen haben wirst, auch anderen wertvolle Tipps geben. Z.B. was du darüber denkst, was dir am Meisten geholfen hätte, achtsam mit dem Diabetes zu leben statt den leider zwecklosen und gefährlichen Versuch zu machen, ihm davon zu rennen. Oder was dir am meisten geholfen HAT (das scheint ja aus deinem Beitrag raus, aber eigentlich war es ja reichlich spät für dich).
Alles Liebe, gute Freunde, hilfreichen Erfahrungsaustausch und viel Kraft und Freude wünsche ich (euch allen)