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Typ 1 Diabetes: Atemwegsinfektionen erhöhen das Risiko

Neuherberg, 04.07.2013. Infektionen in den ersten Lebensmonaten machen anfälliger für ein späteres Auftreten von Autoantikörpern, welche die Entwicklung eines Typ 1 Diabetes kennzeichnen. Insbesondere Atemwegserkrankungen im ersten Lebensjahr, allen voran ein akuter Erkältungsschnupfen (Rhinopharyngitis), scheinen dabei eine wichtige Rolle zu spielen. Dies konnten Wissenschaftler des Instituts für Diabetesforschung, Helmholtz Zentrum München, in ihrer jüngsten Veröffentlichung in der Fachzeitschrift ‚JAMA Pediatrics‘ nachweisen.

 

Die sogenannte Insel-Autoimmunität bezeichnet die Bildung von Autoantikörpern gegen die Insulin-bildenden Betazellen der Bauchspeicheldrüse und tritt am häufigsten im Alter von 6 Lebensmonaten bis 3 Jahren auf. Die Münchner Diabetesforscher gingen daher der Frage nach möglichen Auslösern in diesem Zeitfenster nach. Sie analysierten Daten von 148 Teilnehmern der BABYDIET Studie, die Angehörige mit Typ 1 Diabetes und damit ein erhöhtes Risiko für eine Insel-Autoimmunität haben. In täglichen Infektionsprotokollen hatten deren Eltern in den ersten drei Lebensjahren insgesamt 1245 Infektionen in 90750 Personentagen dokumentiert. Unterschieden wurde nach Infektionen des respiratorischen Trakts (Atemwegserkrankungen), des gastrointestinalen Trakts (Magen-Darm-Infektionen) sowie sonstigen Infektionen. Fieber und Medikation wurden ebenfalls erfasst. Im dreimonatlichen Abstand wurde zudem das Blut der Kleinkinder auf die Bildung von Autoantikörpern untersucht.

Dabei konnte im ersten Lebensjahr ein Zusammenhang zwischen Atemwegsinfektionen – unter Verdacht stehen insbesondere Infektionen der oberen Atemwege bei einer Rhinopharyngitis (Erkältungsschnupfen) – und einem erhöhten Auftreten von Inselautoantikörpern, festgestellt werden. Kinder mit späteren Inselautoantikörpern hatten sich mindestens zweimal im ersten Lebensjahr infiziert, hauptsächlich mit Atemwegsinfekten. Am höchsten war das Risiko für Insel-Autoimmunität bei Kindern, die im ersten Lebensjahr mehr als fünf Atemwegsinfekte durchlitten. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass wahrscheinlich nicht eine spezifische Infektion oder ein spezifisches Virus als Auslöser für Insel-Autoimmunität und Typ 1 Diabetes verantwortlich ist. Vielmehr scheint die Summe der Infektionen und der dabei freigesetzten entzündlichen Botenstoffe für das Risiko einer Autoimmunreaktion entscheidend zu sein. Dafür sprechen auch die kürzlich veröffentlichen Befunde der TEDDY-Studie in der Fachzeitschrift ‚Diabetologia‘, bei der zum Zeitpunkt des Auftretens von Inselautoantikörpern im Blut der betroffenen Kinder kein spezifisches Virus nachweisbar war.

„Die Analyse hat gezeigt, dass häufige Atemwegserkrankungen im ersten Lebensjahr ein potentieller Risikofaktor für die Entstehung von Typ 1 Diabetes sind“, fasst Erstautor Dr. Andreas Beyerlein vom Institut für Diabetesforschung, Helmholtz Zentrum München, die Ergebnisse zusammen. „Das Immunsystem ist in den ersten Lebensmonaten noch unreif und nach einigen Monaten entfällt der passive Immunschutz („Nestschutz“) durch die Mutter.“ Dem entspricht, dass die Anzahl der Infektionen nach den ersten 6 Lebensmonaten in der BABYDIET Studie stark anstieg. Zu diesem Zeitpunkt traten auch die ersten Fälle von Autoimmunität auf.

Nach Ansicht von Studienleiterin Prof. Dr. med. Anette-Gabriele Ziegler sprechen die Erkenntnisse für eine Vermeidung von multiplen Erkältungskrankheiten in früher Kindheit als präventive Maßnahme gegen Typ 1 Diabetes: „Die Entwicklung gezielter Impfungen oder antiinflammatorischer Therapien könnte besonders in genetisch bedingten Risikopersonen zu einer gesunden Reifung des Immunsystems und somit zur Prävention von Typ 1 Diabetes beitragen.“

Andere vorbeugende Ansätze untersucht das Institut für Diabetesforschung in der Studie INIT II, bei der die Entstehung von Typ 1 Diabetes bei Risikopersonen mit einer Art „Insulinimpfung“ verhindert werden soll. Vorstudien hierzu verliefen vielversprechend.

Weitere Informationen
Weitere Informationen zu Typ 1 Diabetesstudien können Sie unverbindlich anfordern unter:
Institut für Diabetesforschung
Helmholtz Zentrum München
Direktorin: Univ.-Prof. Dr. med. Anette-Gabriele Ziegler
Kostenlose Info-Hotline: 0800 82 84 86 8
E-Mail: prevent.diabetes@lrz.uni-muenchen.de
Internet: www.diabetes-studien.de

Original-Publikation:
Beyerlein, A. et al. (2013): Respiratory Infections in Early Life and the Development of Islet Autoimmunity in Children at Increased Type 1 Diabetes Risk, JAMA Pediatrics, doi: 10.1001/jamapediatrics.2013.158

Link zur Fachpublikation: http://archpedi.jamanetwork.com/article.aspx?articleid=1704825

Das Helmholtz Zentrum München verfolgt als deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt das Ziel, personalisierte Medizin für die Diagnose, Therapie und Prävention weit verbreiteter Volkskrankheiten wie Diabetes mellitus und Lungenerkrankungen zu entwickeln. Dafür untersucht es das Zusammenwirken von Genetik, Umweltfaktoren und Lebensstil. Der Hauptsitz des Zentrums liegt in Neuherberg im Norden Münchens. Das Helmholtz Zentrum München beschäftigt rund 2.100 Mitarbeiter und ist Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft, der 18 naturwissenschaftlich-technische und medizinisch-biologische Forschungszentren mit rund 34.000 Beschäftigten angehören. Das Helmholtz Zentrum München ist Partner im Deutschen Zentrum für Diabetesforschung e.V. www.helmholtz-muenchen.de

Das Deutsche Zentrum für Diabetesforschung e.V. bündelt Experten auf dem Gebiet der Diabetesforschung und verzahnt Grundlagenforschung, Epidemiologie und klinische Anwendung. Mitglieder des Verbunds sind das Deutsche Diabetes-Zentrum DDZ in Düsseldorf, das Deutsche Institut für Ernährungsforschung DIfE in Potsdam-Rehbrücke, das Helmholtz Zentrum München – Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt, die Paul Langerhans Institute des Carl Gustav Carus Universitätsklinikums Dresden und der Eberhard-Karls-Universität Tübingen sowie die Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz e.V. und die Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren. Ziel des DZD ist es, über einen neuartigen, integrativen Forschungsansatz Antworten auf offene Fragen in der Diabetesforschung zu finden und einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung von Prävention, Diagnose und Therapie des Diabetes mellitus zu leisten. www.dzd-ev.de

Das Institut für Diabetesforschung (IDF) befasst sich mit der Pathogenese und Prävention von Typ 1 Diabetes und Gestationsdiabetes. Dazu untersucht es die molekularen Mechanismen der Krankheitsentstehungen, insbesondere das Zusammenspiel von Umwelt, Genen und Immunsystem. Ziel ist die Identifizierung von Markern zur frühen Diagnose und die Entwicklung von Therapien zur Prävention und Heilung von Diabetes. Das IDF ist Teil des Diabetes Research Departments.
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Weitere Informationen:
Link zur Fachpublikation: http://archpedi.jamanetwork.com/article.aspx?articleid=1704825
Informationen zu Typ 1 Diabetesstudien: http://www.diabetes-studien.de
Helmholtz Zentrum München: http://www.helmholtz-muenchen.de

Quelle: Helmholtz Zentrum München vom 4. Jul. 2013


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Diskutiert diesen Artikel im Forum (10 Antworten).
TinaSchnecke antwortete auf das Thema:
22 Juli 2013 13:46
Scheint irgendwie die Frage nach Henne und Ei zu sein...

Ich persönlich glaube ja, dass zuerst die Prädisposition für Diabetes da ist, woher auch immer die kommt. Infekte tun dann den Rest. Während eines Infektes hat das Immunsystem stark mit der Infektbekämpfung zu tun, Autoimmunreaktionen können sich dann austoben. So führt dann ein Infekt nach dem anderen dazu, dass irgendwann zu viele Betazellen zerstört sind und der DM ausbricht.

Theoretisch könnte man also mit Infektvermeidung den Zeitpunkt des Ausbruchs hinausschieben. Aber wie ist es mit der These: Ein Kind muss krank werden, um gesund sein zu können? Kann sich dass Immunsystem überhaupt richtig entwickeln, ohne dass es sich mit banalen Infekten auseinandersetzen muss?

Statistisch gesehen, meine ich mal irgendwo gelesen zu haben, erkranken Erstgeborene häufiger an DM.

lg
Tina
Andrea Sch antwortete auf das Thema:
22 Juli 2013 11:16
Hallo!

Mir erscheint das irgendwie auch nicht logisch. Genau wie Heike geschrieben hat.
Warum gibt es so einen starken Anstieg bei den Typ 1 Erkrankungen?
Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass es früher in den gängigen Großfamilien weniger Erkältungskrankheiten gegeben hat. (Meine Mutter hat 6 Geschwister, mein Vater 5, ich nur noch 3, und Valentin hat nur noch 1 Bruder.)
Uns hat man bei der Erstmanifestation auch Infekte als möglichen Auslöser für Diabetes genannt, ich hatte aber eher den Eindruck, dass die zugegeben gehäuft auftretenden Infekte kurz vor der Manifestation eher schon die Folge einer geschwächten Immunabwehr waren!

LG
Andrea
Wenke antwortete auf das Thema:
05 Juli 2013 22:07
Wenn viele Infekte im ersten Lebensjahr entscheidend sind, hätte dann Typ-1-Diabetes früher nicht viel häufiger auftreten müssen?

Mehrere Infekte im 1. Lebensjahr betreffen vor allem die jüngeren Kinder einer Familie. Es gibt aber immer weniger Kinder pro Familie. In einer Familie mit 4 Kindern (vor 100 Jahren normal) sind 75% der Kinder "die Jüngeren", in Familien mit 2 Kindern sind es nur 50%. Die Durchschnittsfamilie hat heute nur noch 1,4 Kinder...

Lars hatte, bevor er in den Kindergarten kam, auch kaum etwas. Mit 3 Monaten hatte er seinen ersten Infekt, der auch etwas heftiger war (Fieber kurz mal um die 40, wir sind nachts ins Krankenhaus gefahren, bis wir endlich dran waren, war das Fieber aber von allein weggegangen).
Ein halbes Jahr später hatte er so einen komischen Infekt, der aus ein bisschen Schnupfen, ein bisschen Durchfall, ein bisschen Ausschlag bestand (Dreitagefieber, Ringelröteln oder sonst was, der Kinderarzt wusste es auch nicht).

Bis zum Kindergarteneintritt hatte er danach eigentlich gar nichts mehr. Kaum war er in Kindergarten, war er dann ständig krank und im ersten Jahr nie länger als 4 Tage an Stück gesund.

Sein Bruder Arne dagegen war quasi von Geburt an dauerkrank, weil Lars da eben gerade in den Kindergarten kam und ihm fast jede Woche einen neuen Infekt mitgebracht hat.

Was ich sagen wollte: die ersten Kinder einer Familie sind vor dem Kindergarteneintritt meist eher gesund (Ausnahmen bestätigen natürlich immer die Regel ;) ) und da der Trend zum Einzelkind geht, ist ein immer größerer Anteil der Kinder das "Erstkind".

Gibt es eigentlich eine Statistik darüber, welche Stellung in der Geschwisterreihe Diabetes-Kinder auf häufigsten einnehmen?

LG Heike
Niemand antwortete auf das Thema:
05 Juli 2013 19:55
Also bei uns passt es überhaupt nicht.
delphyine antwortete auf das Thema:
05 Juli 2013 19:02
DAS würde bei uns auch passen. Sie war ab Geburt erkältet. Die Erkältung ging gar nicht weg. Einige Monate vor Manifestation hatte es sich zu einer Lungenentzündung entwickelt. Danach war sie dank Antibiotika ein paar Wochen infektfrei, aber wirklich nur kurz.