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CGM und Kostenerstattung: Landessozialgericht gleicher Auffassung wie DDB

Einen weiteren Erfolg im Kampf um die Kostenerstattung der kontinuierlichen Glukosemessung (CGM) hat das Rechtsberatungsnetz des Deutschen Diabetiker Bundes (DDB) erzielt: Das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt verpflichtete die Krankenkasse AOK plus für Sachsen und Thüringen im Januar dazu, einen Typ-1-Diabetiker mit einem Glukosemesssystem zu versorgen. Damit hob die höhere gerichtliche Instanz den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom September 2012 auf, das sich gegen eine Kostenübernahme durch die Kasse ausgesprochen hatte.

 

 Vor das Sozialgericht war ein 41-jähriger Typ-1-Diabetiker und Insulinpumpenträger gezogen, der seit Jahren unter starken Blutzuckerschwankungen leidet. Wegen seines schwer einstellbaren Diabetes ist der Insulinpumpenträger seit Februar 2012 arbeitsunfähig, seinen Job verlor er deshalb schon im Oktober 2011. Der Patient hat bereits Folgeerkrankungen wie eine diabetesbedingte Augenerkrankung (nichtproliferative Retinopathie) und eine schmerzhafte Nervenerkrankung (sensomotorische Polyneuropathie). Auch liegt bei ihm eine Hypoglykämie-Wahrnehmungsstörung vor, die schwere Blutzuckerentgleisungen zur Folge hat. Aufgrund der ständigen Blutzuckerschwankungen, dem Verlust seiner Arbeit sowie dem damit verbundenen sozialen Abstieg stellten sich bei dem Diabetespatienten außerdem behandlungsbedürftige depressive Verstimmungen ein. Ein CGM-Gerät wollte ihm seine Kasse trotzdem nicht bezahlen.

Arzt: normnahe Einstellung nur durch CGM

Schon im April 2011 stellte sein behandelnder Diabetologe einen Antrag auf Kostenübernahme für ein CGM-System bei der Krankenkasse. Als Begründung nannte der Arzt u.a. nächtliche Unterzuckerungen und den stark schwankenden Blutzucker. Nur durch den Einsatz der CGM könne der Typ-1-Diabetiker, der bislang sechsmal am Tag seinen Blutzucker misst, schrittweise eine normnahe Einstellung erreichen. CGM-Systeme haben viele Vorteile: Sie zeigen den Trendverlauf der Stoffwechseleinstellung genau an – in kurzen Abständen liefern sie Glukosewerte – bis zu 288 pro Tag. Vor zu hohen oder zu niedrigen Werten warnt ein Alarmsignal.

Den Antrag lehnte das Sozialgericht Halle dennoch wegen eines Bewertungsverfahrens des Gemeinsamen Bundesausschusses ab (Aktenzeichen: SG Halle vom 24.09.12, S 25 KR 179/12 ER). Der G-BA ist der Auffassung, dass es sich bei der CGM um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode handelt. Details prüft der Bundesausschuss in einem laufenden Verfahren. Dieses Verfahren hat momentan zur Folge, dass die meisten Krankenkassen die Kosten für CGM- Systeme nicht übernehmen. Verschiedene Sozialgerichte haben die CGM-Geräte allerdings schon als reguläre Hilfsmittel eingestuft. Gegen den Gerichtsbeschluss legte der Diabetiker sofort Beschwerde vor dem Landessozialgericht Sachsen-Anhalt ein.

Kurz nach der Negativ-Entscheidung in Halle kam es zu einem weiteren Notfall: Wegen einer schweren Hypoglykämie mit Bewusstlosigkeit und Krampfanfällen wurde der Typ-1-Diabetiker im Oktober 2012 ins Krankenhaus eingeliefert, wo er drei Tage stationär behandelt wurde.

Diesen Vorfall berücksichtigte das Landessozialgericht in seiner Entscheidung (Aktenzeichen: LSG Sachsen-Anhalt vom 29.01.13, L 4 KR 89/12 B ER). Die Kasse wurde verpflicht, den Diabetespatienten vorläufig und bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens – voraussichtlich im kommenden Jahr – mit einem sog. Transmitter sowie Sensoren für das Glukosemesssystem zu versorgen.

Gericht: CGM beeinflusst Krankheitsverlauf positiv

„Zwar wird durch die kontinuierliche Messung der Glukosewerte mithilfe der Sensoren nicht auf die Grunderkrankung des Antragstellers eingewirkt. Es geht aber dennoch um die Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung, weil der Krankheitsverlauf durch das kontinuierliche Glukosemonitoring positiv beeinflusst

werden soll“, so das Landessozialgericht, das sich dabei auf ein Urteil des Bundessozialgerichts beruft (Aktenzeichen: BSG, Urteil vom 22.04.2009, B 3 KR 11/07 R,). „Insbesondere kann dadurch zu niedrigen Blutzuckerwerten (Hypoglykämien) vorgebeugt oder begegnet werden.“

Das Gericht betont auch, dass entgegen der Ansicht der Vorinstanz die kontinuierliche Glukosemessung nicht als eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode nach § 135 Absatz 1 SGB V zu werten sei. Aus dem Beschluss des G-BA vom November 2011 lasse sich lediglich dessen Auffassung entnehmen, dass er von einer neuen Methode ausgehe.

Die Rechtsanwältin Sabine Westermann vom DDB-Rechtsberatungsnetz (www.diabetikerbund.de) versteht die Begründung des Landessozialgerichts so, „dass eine G-BA-Empfehlung nicht erforderlich ist, wenn eine CGM dazu dient, vom Diabetespatienten in erster Linie zur Selbsttherapie genutzt zu werden“. Das Gericht erkenne sogar an, dass die sich kontinuierlich verschlechternde gesundheitliche Situation des Klägers erhebliche Auswirkungen auf sämtliche Lebensbereiche habe. „Insgesamt gesehen ist es aber weiterhin ein Unding, dass für die Gewährung eines Hilfsmittels erst Notarzteinsätze und Folgekomplikationen abgewartet werden müssen“, kritisiert sie.

Am Berufsleben teilhaben!

Der DDB-Bundesvorsitzende Dieter Möhler freut sich für die Menschen mit Diabetes über den juristischen Erfolg, insbesondere in diesem Fall, bei dem die schwer einstellbare Stoffwechsellage des Patienten bis zur Arbeitsunfähigkeit geführt hat: „Die CGM ist ein Hilfsmittel und gleichzeitig elementarer Behinderungsausgleich, zu dem auch die Teilhabe am Berufsleben zählt.“ Mit einer stabilen Blutzuckereinstellung habe der Typ-1-Diabetiker gute Chancen, wieder in den Beruf einzusteigen.

Quelle: Pressemeldung des DDB vom Feb. 2013

CGM System, Kontinuierliche Blutzuckermessung, Blutzuckermessung, DDB, Organisationen, Technik

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Diskutiert diesen Artikel im Forum (6 Antworten).
Wenke antwortete auf das Thema:
07 Feb. 2013 20:43

cociw schrieb: Da könntet ihr natürlich Recht haben, aber andererseits hat doch der behandelnde Arzt auch die Kostenübernahme für die CGM beantragt.
Und vielleicht auch noch eine Widerspruch eingelegt, bevor das Ganze vor Gericht kam.


Stimmt auch wieder.

Das ist wohl immer das Problem bei solchen Artikeln: Sie können noch so ausführlich sein, sie geben doch immer nur einen Teil der Geschichte wieder. Irgend ein Teil, den man kennen müsste, um den ganzen Sachverhalt zu verstehen, fehlt immer.
cociw antwortete auf das Thema:
07 Feb. 2013 17:53
Da könntet ihr natürlich Recht haben, aber andererseits hat doch der behandelnde Arzt auch die Kostenübernahme für die CGM beantragt.
Und vielleicht auch noch eine Widerspruch eingelegt, bevor das Ganze vor Gericht kam.

Ist ja im Prinzip auch "Würstchen", hat mich halt nur gewundert.
Was ich überhaupt nicht nachvollziehen kann, ist die Tatsache, dass so wenige von den Kiddies hier eine CGM haben, bzw. bewilligt bekommen.

Es gibt bei dem großen Justus auch Phasen, in denen ich gern mal eine für ihn hätte, aber der würde mir vermutlich eh was husten: noch einen Katheter toleriert er zurzeit garantiert nicht.

LG. :)
Wenke antwortete auf das Thema:
07 Feb. 2013 14:01

cociw schrieb: Da gebe ich dir völlig Recht.
Allerdings habe ich mich schon gewundert, dass der betroffene Diabetiker nur 6mal täglich BZ gemessen hat, obwohl er so eine instabile Einstellung hat.


Das hat mich natürlich auch gewundert. Dachte auch sofort, wenn ich dieser Mann wäre, würde ich deutlich öfter messen.

Aber wahrscheinlich hat er wirklich nicht mehr Teststreifen bekommen.
Habe schon gehört, dass erwachsene Diabetiker oft nicht mehr als 600 Teststreifen pro Quartal bekommen.
Der Diabetologe kann zwar mehr verordnen und hätte bei einem Patienten mit sehr schwankenden Werten auch kein Problem das zu begründen, hat aber vielleicht einfach keine Lust dauernd Begründungen zu schreiben.
Die Forderung nach Begündungen ist ja eine Art"Erziehungsmaßnahme", die die Ärzte dazu bringen soll, weniger/billigeres zu verschreiben... ist sowas wie in der Schule Strafarbeiten machen :woohoo:
Steffii antwortete auf das Thema:
07 Feb. 2013 13:14
Wahrscheinlich hat der Diabetiker nicht mehr BZ-Teststreifen verordnet bekommen. Und als Arbeitsloser konnte er sich wohl auch keine zusätzlichen, selbst bezahlten leisten.

OK, alles Spekulationen. Aber mir macht dieses "Kostensparen" um am Ende im Krankenhaus zu landen, große Sorgen. Das ist wie mit dem Desinfektionsmittel, was die Kasse nicht bezahlt. Bei dem verordnungsfähigen fallen zwar die Katheder ständig ab und man braucht mindestens die doppelte Kathedermenge, aber egal.

Wenn meine Tochter im Dezember volljährig wird, dürfen wir uns ja auch schon finaziell beteiligen. Glücklich, wer sich Gesundheit leisten kann.

LG
Steffi
cociw antwortete auf das Thema:
07 Feb. 2013 11:25
@ Heike:

Da gebe ich dir völlig Recht.
Allerdings habe ich mich schon gewundert, dass der betroffene Diabetiker nur 6mal täglich BZ gemessen hat, obwohl er so eine instabile Einstellung hat.

Von "nur" 6mal Pieken täglich würden die meisten Kiddies hier vermutlich träumen. :S
Super wäre es doch, wenn > 6x/Tag eine bombensichere Indikation für CGM Bewilligung wäre!
Da wären wir sofort dabei!

LG, Cordula