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Angst vor nächtlichen Hypoglykämien

Eltern diabeteskranker Kinder drücken aus Angst vor Hypoglykämien bei hohem Blutzucker oft ein Auge zu

Von Ellen Jahn

Eltern von Kindern mit Diabetes haben große Angst, daß ihre Schützlinge nachts an Hypoglykämien sterben könnten. Deshalb drücken sie - vor allem wenn sie schon einmal eine nächtliche Unterzuckerung miterlebt haben - in der Stoffwechseleinstellung lieber ein Auge zu und akzeptieren schlechte HbA1c-Werte. "

Doch damit erhöhen sie das Risiko für eine Retinopathie", warnt Privatdozent Dr. Thomas Danne vom Kinderkrankenhaus auf der Bult in Hannover auf dem vom Unternehmen Aventis veranstalteten 7. Peter-Behrens-Bau-Symposium in Frankfurt-Höchst.

Ärzte können Eltern die Furcht vor Unterzuckerungen nehmen

"Bisher ist in der wissenschaftlichen Literatur kein einziges Kleinkind beschrieben worden, das infolge einer Hypoglykämie morgens tot im Bett gefunden wurde", sagte Danne. Ärzte sollten dies den Eltern sagen, damit die Angst sie nicht von einer guten Blutzuckereinstellung abhält. Ziel der Therapie sind normnahe Werte, also ein HbA1c von höchstens 7,5 Prozent, erinnerte der Pädiater. Eltern sollten wissen, daß schwere Hypoglykämien bei guter Stoffwechsellage vorkommen können, ihre Kinder aber nicht daran sterben oder dauerhafte Schäden davontragen. Diesen Schluß ziehen Züricher Forscher aus den Ergebnissen einer prospektiven Langzeitstudie bei Kindern mit Diabetes.

Darin hatten schwere Hypoglykämien bei 64 Kindern mit Typ-1-Diabetes keinen Einfluß auf die intellektuelle und motorische Leistungsfähigkeit. Hingegen verschlechterte eine zu hohe Blutzuckereinstellung eher die intellektuelle Leistungsfähigkeit.

Wie wichtig normnahe Blutzuckerwerte von Anfang an sind, belegt die hohe Retinopathie-Rate bei Typ-1-Diabetikern. So ergaben jährliche Fluoreszenzangiographien bei 494 Typ-1-Diabetikern in der Berliner Retinopathie-Studie, daß jeder zweite 18jährige schon Mikroaneurysmen aufwies und dies bei den 30jährigen schon ausnahmslos der Fall war. In diesem Alter hatte ein Drittel sogar eine proliferative Retinopathie.

Die Hoffnung ist groß, daß eine vergleichbare Studie in etwa zehn Jahren positiver ausfällt. Inzwischen sind nicht nur die Versorgungs- und Schulungsangebote sehr viel besser, auch die Behandlungskonzepte der intensivierten konventionellen Insulintherapie (ICT) oder kontinuierlichen subkutanen Insulinpumpeninjektion (CSII) sowie die Einführung der Analoginsuline erlauben maßgeschneiderte Therapien.

Warum schaffen jedoch nur wenige eine optimale Stoffwechseleinstellung? Gerade junge Menschen sollten gut lernen könnten, mit einer chronischen Krankheit zu leben. "Keineswegs", meint Danne: "Die Belastung Jugendlicher nimmt mit dem Älterwerden eher zu als ab." Dies bestätigen auch Ergebnisse einer vierjährigen Untersuchung bei 91 Patienten, die im Mittel seit fünf Jahren Typ-1-Diabetes hatten. Je länger die Diabetesdauer, um so öfter klagten die Jugendlichen darüber, daß es mit Diabetes schwerer sei, Freunde zu gewinnen. Sie wurden gehänselt und empfanden Blutzuckermessen und Spritzen als Handikap. Schließlich ist die Pubertät eine Zeit, in der es besonders wichtig ist, "gut drauf" zu sein.

Wichtig ist auch in dieser Phase, daß sich die Eltern nicht ganz aus der Betreuung zurückziehen. "Viele Kinder, die zu früh von ihren Eltern mit dem Diabetes-Management allein gelassen werden, erleben Frustrationen und geraten oft in der Pubertät in eine Krise", erklärte Danne. Und je schlechter der Einzelne mit dem Diabetes klar kommt, umso höher liegt sein Risiko für Schulabbrüche, Arbeitslosigkeit und Suizid. Auch junge Mädchen lernen sehr schnell, daß sie leichter schlank bleiben, wenn sie Insulin weglassen. Die schlechte Stoffwechseleinstellung nehmen sie dafür in Kauf.

Wichtig sind regelmäßige Kontrollen in Diabeteszentren

Daher ist es wichtig, daß regelmäßige Vorstellungen in Diabeteszentren, am besten sechs bis achtmal im Jahr, eingehalten werden. Die dort vereinbarten Therapieziele müssen erreichbar sein, damit nicht Stress und Schuldgefühle überhand nehmen. Trotz realistischer Risikoeinschätzung darf der therapeutische Optimismus nie zu kurz kommen. Sonst bleiben Motivation und Compliance auf der Strecke. Informationen und Austausch bietet das Internet unter www.diabetes-kids.de und www.childrenwithdiabetes.com

FAZIT

Schätzungsweise 16 000 Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren leiden in Deutschland an Diabetes mellitus Typ 1. Bei der Erstdiagnose sind die Kinder im Mittel elf Jahre alt. Eltern übernehmen jahrelang die Therapie. Viele haben Angst, daß ihre Kinder an Hypoglykämien sterben könnten und akzeptieren dabei zu hohe Blutzuckerwerte. Hierdurch wächst jedoch das Risiko für Spätschäden wie Retinopathien. Außerdem wurde bisher noch nie beschrieben, daß ein Kind an einer nächtlichen Hypoglykämie gestorben ist.

Quelle: Ärztezeitung

Hypo

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Diskutiert diesen Artikel im Forum (1 Antworten).
arno antwortete auf das Thema:
15 Feb. 2011 18:21
da ich erst seit 2 tagen damit konfrontiert bin, habe ich eine höllische angst vor dem was kommt, vor allem mache ich mir vorwürfe, es nicht bemerkt zu haben